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sie bis an die Pforte des Schattenreichs gelangt, als sie sich, ermüdet von der
langen Reise, niedersetzten. Da ließ Hades, der von ihrem Plane gehört, die
Frevler an dem Felsen festwachsen. Erst als Herkules kam, um den Cerberus
zu holen, nahte des Theseus Erlösung. Herkules riß ihn mit gewaltigem Ruck
vom Felsen los; bei dem Pirlthous aber war es ihm nicht möglich; dieser
blieb zu ewigem Aufenthalt in der Finsternis verdammt. Voll Reue über die
unrühmliche Fahrt kehrte Theseus allein aus die Oberwelt zurück. In Athen
aber fand er statt des alten Gehorsams Entfremdung und Widerstreben; man
wollte sich sein kräftiges Regiment nicht mehr gefallen (affen. Da verließ Theseus
die undankbare Stadt und schiffte nach der Insel Skyros, wo er beträchtliche
Güter besaß. Der dortige Herrscher, Lykomedes, fürchtete in dem Helden
einen Nebenbuhler und sann auf schändlichen Verrat: er lud ihn ein, mit ihm
einen Felsen zu besteigen, von dem aus man die ganze Insel überblicken könne.
Als Theseus seine Blicke freudig über die fruchtbaren Gefilde schweifen ließ, stürzte
ihn fein Begleiter plötzlich in die jähe Tiefe. Auf eine Weisung des Orakels
wurden später seine Gebeine nach Athen gebracht und dort mit großem Gepränge
bestattet. Die Athener verehrten ihn wie einen Gott und erbauten über seinem
Grabe einen herrlichen Tempel.
3) Gemeinsame Heldenfahrten.
a. Veranlassung der Sage. Schon die Sage erzählt von
weiten Wanderungen, kühnen Abenteuern und von thatkräftiger Koloni¬
sation der Griechen. Übervölkerung der heimatlichen Landschaften, die
Lage am Meer, der Wohlstand, zu welchem die Kolonieen emporblühten,
lockte immer weiter in die Ferne. Zur See nach Süden vorrückend,
gewannen die Griechen im Kampfe geyen die semitischen Kater die
Insel Kreta und begründeten daselbst "einen Staat, dessen Macht sich
vom Hellespont bis nach Sicilien erstreckte; seine Einrichtungen aalten
als Vorbild der Lykurgischen Staatsverfassung. Von Kreta aus gelangte
griechische Kultur schon früh nach Kleinasien. Die Sage erzählt von
der Errichtung eines griechischen Staates Lycien, dessen alte Kultur
der große Apollotempe'l zu Patära und reich verzierte Grabmäler be¬
zeugen. Auch in Griechenland selbst wogten die Völker kämpfend durch¬
einander, indem barbarische nördliche Völkerschaften nach Süden vor¬
drangen: die Theffaler besetzten die Ebene des Peneus, die von ihnen
den Namen erhielt; der hier vertriebene Stamm der Böotier zog südlicher
in die Ebene des Cephissus, die seitdem Böotien hieß. Die Ausbreitung
der Böotier zur See gab Veranlassung zu der Sage vom Argo¬
naut e n z u g e, die indessen sowohl hinsichtlich der Zahl der Teilnehmer,
wie in Bezug auf das Ziel derselben mit der Zeit erweitert wurde. Die
Fahrten der östlichen Theffaler nach Lemnos und Thasos gestalteten sich zu
einer höchst abenteuerlichen Unternehmung aller Stämme, deren Ziel mit
der erweiterten Landeskunde nach Kolchis hinausgerückt wurde.
Infolge der thessalischen Einwanderung verließen auch die Dotier,
ein tapferes Bergvolk, ihre Heimat um den Olymp. Sie zogen durch den
Hellas, setzten bei Naupaktus nach dem Peloponnes über und eroberten
allmählich den ganzen südlichen Teil desselben. Die bisherigen Bewohner,
die Achäer, zogen nach Norden und verdrängten die Ionier nach