178 Friedrich der Große. 
sprechen und schreiben!" „Ich bin nur ein zu alter Kerl," äußerte er Gottsched 
gegenüber, „um noch Deutsch zu lernen, und beklage, daß ich in der Jugend 
weder Anleitung noch Ermunterung dazu gehabt habe." Er veranlaßte zu Königs¬ 
berg die Stiftung einer Gesellschaft für die Ausbildung der Muttersprache und 
schrieb selber eine Abhandlung über die Hebung der deutschen Litteratur, in der 
er wie ein Seher ausruft: „Einst werden wir unsere klassischen Schriftsteller haben; 
jeder wird sie lesen, um sich daran zu bilden; unsere Nachbarn werden deutsch 
lernen; an den Höfen wird man es mit Freuden sprechen." Mehr als durch 
diese Anregung wirkte er auf die Hebung der deutschen Litteratur durch seine 
großen Thaten. 
Die Liebe des Volkes zu seinem Könige wuchs mit jedem Jahre. Wenn 
er auf seinem Schimmel in den Straßen Berlins erschien, jubelte jung und alt. 
Die Stadt Greifenberg in Schlesien war von einer Feuersbrunst schwer heim¬ 
gesucht, und der König gab große Summen her, damit die Häuser möglichst 
schnell wieder aufgebaut würden. Im nächsten Jahre erschienen nun Abgeordnete 
aus Greifenberg, um ihrem Landesvater den Dank der Stadt auszusprechen. 
Dem Könige traten die Thränen in die Augen, als er ihnen erwiderte: „Ihr 
habt nicht nötig, euch dafür bei mir zu bedanken. Es ist meine Schuldigkeit, 
meinen unglücklichen Unterthanen zu helfen; dazu bin ich da." Wie das Volk 
ihn aber auch verehrte, zeigt uns folgende Erzählung eines Augenzeugen. „Der 
König kam (21. Mai 1785) von einer Revue durch das hallesche Thor. Das 
ganze Rundell und die Wilhelmstraße waren gedrückt voll von Menschen, alle 
Fenster voll, alle Häupter entblößt, überall das tiefste Schweigen und auf allen 
Gesichtern ein Ausdruck von Ehrfurcht und Vertrauen. Der König ritt ganz 
allein voran, indem er fortwährend den Hut abnahm. Durch das ehrfurchtsvolle 
Schweigen tönte nur der Hufschlag der Pferde und das Geschrei der Berliner Gassen¬ 
jungen , die vor ihm hertanzten, jauchzten, die Hüte in die Luft warfen, oder 
neben ihm hersprangen und ihm den Staub von den Stieseln abwischten. Bei 
dem Palais der Prinzessin Amalie, die er zu besuchen kam, war die Menge noch 
dichter, der Vorhof gedrängt voll, doch in der Mitte, ohne Anwesenheit irgend 
welcher Polizei, geräumiger Platz für ihn und feine Begleiter. Er lenkte in den 
Hof hinein, die Flügelthüren gingen zu, alles war verschwunden, und noch stand 
die Menge entblößten Hauptes, schweigend, aller Augen auf den Fleck gerichtet, 
wo er verschwunden war. Und doch war nichts geschehen, fein Feuerwerk, keine 
Kanonenschüsse, keine Musik. Aber jedermann wußte, daß der König auch für 
ihn arbeitete, daß er fein ganzes Leben an diese Arbeit gesetzt und sie in 45 Jahren 
noch nicht einen einzigen Tag versäumt hatte." 
Die Preußen hatten um so mehr Ursache, ihren König hoch zu ver« 
ehren, wenn sie auf die Mißverhältnisse sahen, welche an anderen deutschen 
Fürstenhöfen herrschten. Viele kleine Höfe, die in verschwenderischer 
Pracht und äußerem Aufwands den üppigen Hof von Versailles nach¬ 
ahmten, übten auf das öffentliche Leben einen verderblicken Einfluß aus. 
Bei der Ohnmacht des Kaisers waren kleine Fürsten selbständig geworden 
und übten die Rechte des Landesherrn unbeschränkt aus. Einer suchte 
den andern an verschwenderischer Hofhaltung, an glänzenden Festen, an 
prachtvollen Bauten und Gartenanlagen zu übertreffen. Die Residenz¬ 
städte vermehrten sich mit jedem Jahre; jeder Fürst hielt sich eine An-
	        
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