Die französische Revolution. 191 
wurde eine Nationalgarde gebildet, deren Anführer Lafayette 
wurde. Von Paris pflanzte sich die Bewegung auf das Land fort; die 
Bauern verweigerten die Frondienste, sowie die Abgaben an Adel und 
Geistlichkeit und zündeten an vielen Orten die Häuser ihrer Guts¬ 
herren an. 
Die Regierung hatte der Nationalversammlung keine Vorlagen 
gemacht; die Abgeordneten konnten ihre Beratungen daher nach eigenem 
Ermessen einrichten und begannen mit der Erklärung der allge¬ 
meinen Menschenrechte. Ein Gras, Lasayettes Schwager, machte 4. sing, 
den Vorschlag, die bevorzugten Stände möchten auf alle aus dem Mittel¬ 
alter stammenden Feudalrechte verzichten. Dieser Vorschlag brachte einen 
Sturm von Begeisterung und Selbstentsagung hervor; einer wollte es 
dem andren zuvorthun. Die Anträge drängten einander; in einer einzigen 
Sitzung wurde der künstliche Bau einer mehr als tausendjährigen Ein¬ 
richtung vernichtet und der Zustand Frankreichs gänzlich umgestaltet. Die 
Adeligen verzichteten ohne Entschädigung auf alle Dienste und Abgaben, 
welche sie von ihren Bauern zu fordern hatten, auf das Iagdrecht und 
die gutsherrliche Gerichtsbarkeit; die Geistlichkeit entsagte dem Zehnten; 
Ämterverkauf, Zünfte und Innungen wurden aufgehoben; die Steuern 
sollten gleichmäßig verteilt, alle Bürger zu allen Ämtern zugelassen 
werden. Die Rechte des Königs wurden sehr beschränkt; nur eine 
Kammer stand neben ihm, der allein das Recht der Gesetzgebung zukam; 
der König erhielt nur das Recht des aufschiebenden Vetos, d. h. er 
konnte durch seinen Widerspruch das Inkrafttreten eines von der Kammer 
beschlossenen Gesetzes aus vier Jahre verschieben, aber nicht verhindern. 
Die ersten Nachrichten von der Befreiung des französischen Volkes erregten 
bei allen wohlgesinnten Menschen die freudigste Teilnahme; selbst Klopstock 
beklagte in einer Ode, daß nicht Deutschland diese That der Befreiung 
vollbracht habe. Wie bald sollte er enttäuscht werden! 
Ludwig XVI. befand sich mit seiner Familie in Versailles. Daß 
er noch immer mit der Bekanntmachung der neuen Verfassung zögerte 
und sich nicht dem Schutze der Bürgerwache anvertrauen wollte, wurde 
ihm sehr übel genommen; als er zu seiner Sicherheit noch ein Regiment 
Garde nach Versailles kommen ließ, fürchtete man von ihm einen Ge¬ 
waltstreich. Deshalb beschlossen die Freiheitsmänner, ihn ganz in ihre 
Gewalt zu bringen. Das gewöhnliche Volk wurde durch einen in Paris 
entstandenen Brotmangel aufgereizt, den man dem Könige zur Last legte. 
Weiber und Männer in Weiberkleidern schrieen vor den Bäckerläden 
nach Brot; der Zug wuchs, stürmte das Stadthaus, bemächtigte sich der 
daselbst aufbewahrten Waffen und trat dann den Weg nach Versailles 
an. Der Bürgerrat beauftragte Lafayette, mit der Nationalgarde den 
Weibern nachzueilen, um in Versailles die Ordnung aufrecht zu erhalten, 
zugleich aber auch dem Könige mitzuteilen, daß die Bürgerschaft die 
Rückkehr des Hofes nach Paris wünsche. 
Die Nationalversammlung hielt gerade Sitzung, als der Pöbelhaufen ankam; 
in kurzer Zeit füllte sich der Saal mit Weibern, die den Antrag stellten, einige 
von ihnen sollten zum Könige geführt werden, um ihm die Wünsche des Volkes
	        
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