60 Friedrich Wilhelm I. 
Stadtkommandant von Berlin sann lange nach, wer wohl der für den 
Galgen bestimmte „Rädel" sein möge. Endlich wurde ein Lieutenant 
dieses Namens ermittelt, und dieser wäre sicher gehängt worden, wenn 
nicht zufällig ein Beamter zu dem Kommandanten gekommen wäre, der 
des Königs Handschrift lesen konnte und den Befehl dahin aufklärte, 
daß der „Rädelsführer" des Tumultes gehängt werden solle. Da die 
aufständischen Arbeiter niemand als ihren Anführer angeben wollten, 
griff der Kommandant einen aus ihrer Mitte heraus, der ihm wegen 
seiner roten Haare besonders verdächtig erschien, und ließ ihn hängen.— 
Nur in einem Falle ließ der König Milderungsgründe eintreten, wenn 
nämlich das Todesurteil über einen großen Grenadier ausgesprochen war. 
Als einst das Kriminalgericht einen großen Flügelmann wegen Einbruchs 
und Diebstahls zum Tode verurteilt hatte, ließ der König den Präsidenten 
und die Räte des Gerichts zu sich kommen, überhäufte sie mit Vor¬ 
würfen, und als sie etwas zu ihrer Rechtfertigung vorbringen wollten, 
prügelte er sie mit seinem Knotenstock zur Treppe hinunter. 
Die Advokaten mochte der König nicht leiden. In Minden wohnte 
er einer Gerichtssitzung bei. Als der Advokat der einen Partei geredet, 
rief der König: „Der Kerl hat recht!" Nun begann der andere Ädvokat 
und redete so geschickt, daß der König mit den Worten: „Der Kerl hat 
auch recht" ärgerlich den Saal verließ. Am liebsten entschied der König 
alles selber ohne lange Verhandlungen. Durch wiederholte Verordnungen 
schärfte er den Gerichten die Beschleunigung und Abkürzung der Prozesse 
ein. Das größte Verdienst um die Verbesserung der Rechtspflege unter 
Friedrich Wilhelm I. hat Samuel Cocceji (von Cocq), ein durch 
Rechtschaffenheit und Tüchtigkeit ausgezeichneter Mann, den der König 
an die Spitze des ganzen Gerichtswesens stellte. 
c. Sorge für Kirche und Schule. Der König war dem Glauben 
seiner Kirche eifrig ergeben; er selber besuchte regelmäßig den Gottes¬ 
dienst und verlangte dasselbe von seiner Familie, seinen Offizieren und 
Beamten; er stellte Feldprediger an, ließ Erbauungsbücher drucken und 
unter das Volk und an die Soldaten verteilen und empfahl den Geist¬ 
lichen, die ihnen anvertrauten Seelen in einem wahren, thätigen Christen- 
tume zu unterweisen, alle unnützen Zänkereien aber zu'unterlassen. 
Francke und ähnliche werkthätige Seelsorger waren Männer nach seinem 
Herzen. Auch Friedrich Wilhelm bemühte sich, aber ohne Erfolg, eine 
Einigung der beiden protestantischen Konfessionen zu erzielen. Er ließ 
mehrere Kirchen bauen, welche er den lutherischen und reformierten Ge¬ 
meinden zu abwechselndem Gebrauche übergab. Den Lutheranern befahl 
er, Altäre, Lichte, Meßgewänder aus den Kirchen zu entfernen, ebenso 
das Absingen der Gebete, des Segens und der Einsetzungsworte, das 
Kreuzschlagen mit der Hand. Dieser Verordnung „widersetzten sich zuerst 
viele Geistliche, wichen aber zuletzt der Gewalt. Übrigens behandelte der 
König beide evangelischen Konfessionen mit Unparteilichkeit; er gestattete 
seiner Gemahlin, lutherisch zu bleiben, und ließ seine Kinder von Geist¬ 
lichen beider Konfessionen prüfen. Als der lutherische Propst Rotoff 
ihm eine untertänigste Vorstellung einreichte, daß er wegen der
	        
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