Peters I ferneres Wirken, Familienleben und Tod.. 81 
Rechtspflege übertragen wurde. Unter demselben standen die neun 
Kollegien, denen wieder die einzelnen Zweige der Verwaltung unter¬ 
stellt waren. Der Zar dachte sogar schon an die Ausbildung der Selbst¬ 
verwaltung ; in den Städten entstanden Rathäuser und wurden Bürger¬ 
meister gewählt. Um die Beamtenwillkühr zu beschränken und eine 
geordnete Rechtspflege anzubahnen, begann Peter mit der Herstellung 
eines allgemeinen Gesetzbuches; doch erreichte er auf diesem Gebiete 
infolge der Unfähigkeit und Bestechlichkeit der Beamten nur wenig. Die 
kirchlichen Verhältnisse Rußlands erfuhren durch Peter eine gründ¬ 
liche Änderung. Er hob die Patriarchenwürde auf und setzte die heilige 
Synode als oberste Kirchenbehörde ein, deren Vorsitzer der Kaiser selber 
sein sollte; von nun ab hatten also Kirche und Staat dasselbe Oberhaupt. 
Für die Pflege der Wissenschaften war Peter unausgesetzt 
thätig; in Petersburg (f. ü.!) entstand sogar eine Akademie, deren 
Forschungen aber für das ungebildete Volk von nur geringem Nutzen 
fein konnten. Durch alle erdenklichen Mittel, durch Belehrung und Er¬ 
mahnung von den Kanzeln, in kleinen Flugschriften, durch Bilder, Muster, 
durch eigenes Vorbild suchte er das Volk zu belehren; aber er vermochte 
die Trägheit, Dummheit oder den Widerwillen desselben gegen alle 
Neuerungen nicht zu überwinden. Nur die höchsten Kreise des Volkes 
kamen teils aus Neigung, teils aus Klugheit den Wünschen des Zaren 
in dieser Beziehung entgegen; ein Mittelstand fehlte fast gänzlich, die 
Bauern aber lebten in trauriger Knechtschaft, ihre Lage ist durch Peter 
auch nicht gebessert. Bisher hatten sie nur „mit der Scholle" verkauft 
werden dürfen; zur Hebung des Fabrik- und Bergwesens erließ Peter 
aber ein Gesetz, nach welchem Fabrikbesitzer rc. Bauern kaufen und zur 
Arbeit verwenden durften. Wie gering Peter das Leben eines Bauern 
achtete, zeigt auch folgende Erzählung. Bei einem Besuche in Berlin 
sah er einen Galgen; als er den Zweck desselben erfahren, bat er den 
König, ihm auf der Stelle die Belustigung einer Hinrichtung zu ver¬ 
schaffen. Friedrich Wilhelm bedauerte, zur Zeit keinen Verbrecher zu 
haben. „Wozu die lange Auswahl," meinte Peter, „hier steht ja Pöbel 
genug!" Da der König erklärte, die Strafe sei nur für verurteilte Ver¬ 
brecher, ergriff der Zar einen russischen Stallknecht und wollte ihn 
durchaus hängen lassen. Nur mit Mühe gelang es dem Könige, ihn 
davon abzubringen. (Der Zar und sein Gefolge durften wegen ihrer 
großen Unsauberkeit nicht im königlichen Schlosse zu Berlin untergebracht 
werden, sondern wohnten in einem Gartenschlosse zu Potsdam.) Viele 
Tausende der Bauern wurden auch zum Bau von Städten, Häfen, 
Straßen und Kanälen zusammengetrieben, von benen bei der mangel¬ 
haften Nahrung unb Wohnung bie meisten balb starben. Die La'nb- 
wirtschaft erfreute sich ber Fürsorge Peters überhaupt nicht in bem Maße, 
wie Heer unb Flotte, Hanbel unb Gewerbe. Das Heer vergrößerte er 
bis zu seinem Tobe auf 200000 Mann; bie Flotte, bie er geschaffen, 
zählte 48 große Kriegsschiffe unb Über 800 kleinere Fahrzeuge. Flotte 
unb Heer ermöglichten es Rußtanb, bie Stellung unter ben europäischen 
Staaten zu behaupten, welche Peter ihm errungen hatte. Zur Hebung 
bes Gewerbes ließ Peter auslänbische Hanbwerker, selbst Spitzen- 
Hvffmeyer unb Hering, Handbuch. 3. Teil. c
	        
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