4. Die Verweltlichung der Geistlichen. 
Die Mönche pflegten viel lieber ihren Leib, anstatt die Seelen der 
gemeinen Leute mit dem Worte Gottes zn speisen. Bischöfe und Äbte 
kleideten sich in Gold und Seide und zogen, den Falken auf der Hand, 
aus die Jagd. Die Bischöfe predigten nicht, dafür hielten sie einen Stell¬ 
vertreter. Am liebsten weihten sie Priester, Glocken, Mönche, Kirchen, 
Kapellen, Lieder, Bücher und Friedhöfe, weil dies alles viel einbrachte. 
Die Geistlichen erzählten in ihren Predigten mehr von Legenden und 
vom Fegefeuer als aus der Bibel. Viele führten einen recht anstößigen 
Lebenswandel. Sie beteiligten sich nicht bloß an unmäßigen Trinkgelagen, 
sondern versetzten sogar oft die Kirchengeräte, um ihrer Genußsucht fröhuen 
zu können. In der Mark Brandenburg pflegten viele in den Dorf¬ 
schänken zum Tanz aufzuspielen. Sie fanden Gefallen daran, daß man 
sogar die heiligen Stätten durch Narrenpossen entweihte. An vielen 
Orten zog zu Weihnachten ein Narrenbischof mit seinen Narrenpriestern 
in die Kirche nnd hielt eine Narrenmesse ab, während die andern allerlei 
Schmntz in die Rauchfässer und heiligen Gefäße warfen und auf den 
Stufen des Altars schmausten und Würfel spielten. 
5. Der wachsende Hasz gegen die Habsncht der Kirche. 
Schon Kaiser Friedrich II. klagte über die Habgier und Herrschsucht 
der römischen Kirche. „Päpstliche Gesandte gehen unaufhörlich durch alle 
Lande, nach Willkür bindend, lösend, strafend, nicht damit der echte Same 
des Wortes Gottes ausgestreut werde und emporwachse, sondern damit 
diese in Schafskleider gehüllten Wölfe alle Freien unterjochen, alle Fried¬ 
lichen beunruhigen und überall Geld erpressen. Christi erste Kirche, 
welche Heilige in so großer Zahl erzeugte, war auf Armut und Unschuld 
gegründet; und einen andern Grund, als den unser Herr, Jesus Christus, 
gelegt hat, kann niemand auffinden und legen. Jetzt aber, da die an¬ 
gebliche Kirche sich in Reichtümern wälzt, auf Reichtümern einherfährt, 
nur durch Reichtümer erbaut, steht zu befürchten, daß das ganze Gebäude 
zusammenstürze." Der Dichter Walther von der Vogelweide ließ in 
einem Liede den Papst sprechen: „Ich hab' zwei Deutsche unter eine 
Krön' gebracht, damit das Reich sie stören und belasten, und mittlerweile 
füllen wir den Kasten. Ich hab' zum Opferstock gedrängt sie, all ihr 
Gut ist mein: ihr deutsches Silber fährt in meinen welschen Schrein. 
Ihr Welschen, esset Hühner, trinket Wein, und laßt die Deutschen — 
fasten!" Gerson, der berühmte Kanzler der Pariser Universität, schrieb: 
„Die päpstliche Ehr-, Herrsch-, Hab- und Weltsucht wird immer unersätt¬ 
licher, so daß jetzt die römische Kurie nur ein großer Markt zu sein 
scheint, wo, je mehr einer herzubringt, er auch um so mehr Ware haben 
wird, und wo nicht bloß wie von Judas einmal um 30 Silberlinge, 
sondern täglich hundertmal Christus und seine Kirche verkauft wird, und
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.