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weise nicht, und das Böhmerland mit seinen weiten und ebenen Feldern
bot reiche Gelegenheit, Karren und Wagen zu reihen, sich mit ihnen
aus einander zu breiten und sie wieder zu vereinigen. Tie Heere, welche
Sigismund ihnen entgegensandte, wurden von den Hussiten gänzlich geschlagen,
trotzdem Ziska auch fein anderes Auge verloren hatte. Selbst nach Ziska's
Tode wütete der Kampf weiter, denn Prokop der Große und Prokop der
Kleine führten sie zu weiteren Siegen. Bei Anßig erlag die Blüte des
sächsischen Heeres der hnssitischen Übermacht. Sogar ein ungeheures
Reichsheer vermochte nichts gegen sie auszurichten, denn als die Kreuz¬
fahrer das dumpfe Rollen der Wagenzüge und die Schlachtgesänge der
kampfentbrannten Hussiten hörten, ergriffen sie eiligst die Flucht, doch nur
wenige entrannen dem Tode. Nach dieser vollständigen Niederlage des
Reichsheeres verzichtete Sigismund darauf, die Hussiten mit Waffengewalt
f- znr Ruhe und zum Gehorsam zu zwingen.
e. Die Raubzüge der Hussiteu. Nachdem die Hussiten sich
ihrer kriegerischen Kraft und Überlegenheit bewußt geworden waren, be¬
schränkten sie sich nicht mehr bloß auf die Verteidigung ihres Vaterlandes
und ihrer Religionsfreiheit, sondern sie gingen nun auch zum Angriffe
über und verheerten in schrecklicher Weise alle Nachbarländer, nämlich
Mähren, Österreich, Bayern, Schlesien und Sachsen. Besonders Sachsen
mußte unter den blutdürstigen und raubgierigen Scharen viel leiden.
Unzählige Dörfer wurden geplündert und eingeäschert, die Bewohner er¬
schlagen oder Vertrieben, insbesondere mußten die Geistlichen unter ihrer
Mordlust leiden. Selbst viele befestigte Städte konnten ihrem Ansturme
nicht widerstehen. In Sachsen gingen z. B. die Städte Pirna, Oschatz,
Werdau, Altenburg uud Plauen in Flammen aus. Auf 3000 Wogen
schleppten sie die Beute nach Böhmen. Um diesen Greuelthaten ein Ende
zu machen, erkaufte der Kurfürst von Sachsen für 9000 Dukaten einen
Waffenstillstand für fein Land. Unterdes brandschatzten die Hussiten
Brandenburg und Westpreußen. Furchtbar hatten die Nachbarländer ge¬
litten unter der Rach- und Raubsucht der Hussiten, manches Dorf wurde
nicht wieder aufgebaut und blieb als wüste Mark liegen, der Wohlstand
vieler blühender Länder war auf lange Jahre hinaus völlig vernichtet.
6. Das Ende der Hussitenkriege. Die Hussiten hatten sich in
zwei Parteien gespalten, in die strengere und in die mildere Partei. Die
gemäßigte Partei wünschte Frieden, und nach langen Verhandlungen auf
der Kirchenversammlung zu Basel kam derselbe in Prag auch zustande.
Es wurde deu Hussiten das Recht zugestanden, das Abendmahl unter
beiderlei Gestalt zu empfangen, die Predigt des Wortes Gottes in der
Landessprache zu halten und die Verbrechen der Geistlichen selbst zn be¬
strafen. Dafür mußten sie den Kaiser Sigismund als König von Böhmen
anerkennen. Die strengere Partei, welche gleich den ersten Christen die
Gütergemeinschaft eingeführt hatte, setzte jedoch den Kampf fort, und so
entbrannte ein entsetzlicher Bruderkrieg zwischen den Hussiten. Die milde