Full text: Von der Mitte des 19. Jahrhunderts bis zur Gegenwart (Teil 4)

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Die Gründung des neuen Deutschen Reiches. 
blick war Frankreich noch nicht fertig gerüstet, und diese Gelegenheit wollte 
Bismarck nicht vorübergehen lassen, ohne den Franzosen ihren anmaßen¬ 
den Hochmut und ihre Ländergier heimzuzahlen. Darum fing er den 
abgeschossenen Pfeil geschickt und energisch auf und schleuderte ihn in der 
berühmten Umgestaltung der Emfer Depesche auf seinen Schützen zurück." 
Bismarck sagte sich: Mit einer Demütigung wollen wir uns den 
Frieden nicht erkaufen; dann wäre es mit nuferer Achtung in der Welt 
dahin. Wir weifen die französischen Anmaßungen aufs Entschiedenste zu- 
rucf, mögen die Franzosen sich dadurch auch zum Kriege fortreißen lassen. 
Sie allein haben ihn herbeigeführt; wir haben nur die Ehre nuferes 
Staates gewahrt. — Zusammenfassung. 
e) Wie wirkte i)ie gekürzte Emser Depesche auf die 
Franzosen? 
Sie fühlten sich schwer gekränkt. Es blieb ihnen zweierlei übrig. 
Entweder mußten sie die kraftvolle Bismarcksche Zurückweisung auf sich 
nehmen oder losschlagen. — Wie durfte Frankreich den Krieg erklären, 
da es doch noch nicht fertig gerüstet hatte? Der Kaiser hätte wohl gern 
uoch einige Zeit gewartet. Aber das französische Volk war für keinen 
Aufschub. Tobende Menschenmassen durchzogen die Straßen von Paris 
und riefen: „Krieg mit den Preußen! Krieg auf der Stelle! Nach Ber¬ 
lin! Nach Berlin!" Da konnte Napoleon III. nicht widerstehen. Er hatte 
den Krieg jetzt noch nicht gewollt. Aber nun fürchtete er, das Volk würde 
ihn stürzen, wenn er noch lange mit der Kriegserklärung zauderte. So 
wurde er von den hochmütigen, eitlen, leidenschaftlichen Franzosen ge¬ 
zwungen, Preußen den Krieg zu erklären. Kein Franzose zweifelte .am 
Stege; man hoffte, bald in Berlin zu sein und den Frieden in Königs¬ 
berg schließen zu können. — Zusammenfassung. 
Hatte Bismarck die Gefahr des Krieges nicht abwen¬ 
den können? 
Ja; es wäre nicht zum Kriege gekommen, wenn Bismarck die Depesche 
ungekürzt veröffentlicht oder überhaupt nicht veröffentlicht hätte. Dann 
aber hätten die Franzosen über die den Preußen zugefügte Demut laut 
aufgejubelt, und das Ansehen des preußischen Staates hätte dadurch sehr 
gelitten. Doch der weitausblickende Staatsmann wußte, daß es, wenn 
auch etwas später, doch zum Kriege gekommen wäre. Die Franzosen hätten 
einen neuen Vorwand gesucht und gefunden. Dann befand sich Preußen 
in gleicher Lage. — Zusammenfassung. 
Faßt nun eure Urteile überdas Verhalten des Königs 
und Bismarcks und der Franzosen und ihres Kaisers zu¬ 
sammen! 
Rückblick: 
Welches war der Vorwand zum Kriege? (Die spanische Thron¬ 
folgefrage und die Emfer Depesche.) 
Worin sind dieUrfacheu des deutsch-französischen Krieges zu suchen? 
(1. Frankreich war eifersüchtig und neidisch auf Preußens wachsende 
Macht. 
2. Es fürchtete die aufsteigende Macht Preußens dermaßen, das; es 
sich in feiner Vorherrschaftsstellung in Europa bedroht sah.
	        
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