94 Die Herrschaft Napoleons.
Zusammenfassung des Abschnittes: Der schmachvolle Friede zu Tilsit.
1807.
kjWarum stellte Napoleon d em Könige vouPreUjßen
so harte Friedensbedingungen?
Sein Ziel war die völlige Niederwerfung Preußens.
Es sollte vorläufig nicht wieder Lust verspüren, mit Napoleon Krieg anzu¬
fangen. Es sollte ihm jede Gelegenheit, sich von dem tiefen Fall wieder
aufzuraffen, genommen werden. Daß Napoleon das beabsichtigte, geht dar-
aus hervor, daß französische Soldaten so lange in Preußen blieben, bis die
große Kriegsschuld abgetragen war.
Noch schlimmer erging es den Bewohnern des übrigen Deutschlands,
das unter der Fremdherrschaft des Franzosenkaisers seufzte.
Napoleon war Herr der Rheinbundstaaten und hatte, ehe der Krieg mit
Preußen ausbrach, in Süddeutschland seine Heere zusammengezogen. Die
französischen Soldaten mußten von den Deutschen in Quartieren verpflegt
werden und drangsalierten die Bewohner über alle Maßen, gerade so, wie
sie es in Preußen nach der Schlacht bei Jena getan hatten. Darüber waren
die Deutschen erbittert. Aber keiner wagte, sich zu beschweren. Warum
nicht? Da machte ein deutscher Mann dennoch seinem gepreßten Herzen
Luft. Der Buchhändler Palm verlegte eine Flugschrift unter dem
Titel: „Deutschland in seiner tiefsten Erniedrigung."
Der Name des Verfassers war nicht genannt.
Hört, wie es dem Buchhändler Palm erging!
Der Buchhändler Palm (1806)*)
1.
„An einem Nachmittag um halb ein Uhr kam Herr Herbst, der Schreiber
bei der Polizeidirektion, in die Stagesche Buchhandlung zu Augsburg. Er
hatte zwei Polizeidiener mit; der eine blieb draußen vor der Türe stehen,
der andere trat in den Laden und wartete dort. Herr Herbst aber ging
durch den Laden in das Kontor, wo er die Witwe Frau Stage und ihren
Kommis Jenisch antraf. Er fragte, ob er nicht zwei Bücher bei ihnen haben
könne. ,Bettachtungen über Napoleon Bonapartes bis jetzt ungehinderte
Fortschritte zur Unterdrückung aller Staaten von Europa', heiße das eine.
Und das andere: ,Deutschland in seiner tiefen Erniedrigung'. Als aber der
Kommis den Polizeidiener im Laden stehen sah, wurde er sehr verlegen und
die Frau auch. .Ja, wir haben diese Bücher gehabt', sagte er, ,können aber
mit keinem Exemplar mehr aufwarten'. Vergebens ersuchte Herr Herbst, man
möge ihm doch das eine oder das andere von den beiden Büchern sehen
lassen. Herr Jenisch antwortete immer wieder: ,Wir haben nichts mehr davon.'
Da griff Herr Herbst in die Tasche und zog ein Blatt von der Polizei¬
direktion hervor. .Sie können es hier selbst lesen', sagte er; .ich muß alle
Bücher von der ersten Gattung hier wegnehmen, von der zweiten Gattung
aber ein Buch mitbringen. Die anderen werde ich versiegeln, und es ist
Ihnen streng verboten, die Siegel abzureißen und weiter ein solches Buch zu
verkaufen. Und nun möchte ich Sie, Madame Stage, ermahnen, mir in
*) A. Cl. Scheiblhuber, Aus der Heimat. Kulturbilder aus allen Jahrhunderten.
Nürnberg !9l0, Fr Korn. S. 280-284. - J. Rackl, der Nürnberger Buchhändler
I. Ph. Palm. 1906. S. 22, 23, 55, 59, 60 usw.