Full text: Von der Französischen Revolution bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts (Teil 3)

Der Untergang der großen Armee. 1812. 167 
Heer. Die Russen hatten den günstigen Zeitpunkt erwartet und gingen^nun 
daran, die Macht des Weltbezwingers zu vernichten. 
Ob es ihnen gelang? 
Im November 1812 kamen die Trümmer der großen Armee an der 
B e r e s i n a an. Die Russen hotten die Holzbrücken zerstört. Da ließ Na- 
poleon zwei neue Brücken schlagen. Die Brückenbauer und Schonzengräber 
arbeiteten mit fieberhafter Schnelligkeit, oft bis zur Brust im eiskalten Wasser 
stehend. Kaum waren die Brücken fertig, so drängte gleich olles noch dem 
entgegengesetzten Ufer. Jeder wollte zuerst hinüber. Artillerie, Bagage, 
Reiterei und Fußvolk stürmte durcheinander. Indem olle Ordnung aufhörte 
und der Stärkere den Schwächeren zu Boden schlug, brach unter der furcht¬ 
baren Lost die eine Brücke zusammen. Tausende fanden in den Wellen 
ihren Tod; andere wurden von den herabfallenden Balken erschlagen. Die 
noch aus der Brücke standen, wollten zurückdrängen. Dos verursachte 
das gräßlichste Gedränge; denn die Nochrückenden stemmten sich entgegen. 
Die Menschen wurden gequetscht und getreten. Gellende Weh- und Hilfe¬ 
rufe von Soldaten, Marketendern, Troßknechten, Weibern und Kindern hallten 
durch die Luft. Alles wurde niedergestoßen, und so bahnte ein Haufen 
Leichen, Bagagewogen, Gepäck und Balken einen neuen Weg nach dem jen¬ 
seitigen Ufer. Plötzlich ertönten Schüsse von allen Seiten. Zahlreiches Ge¬ 
schoß brachte Entsetzen und Verzweiflung in die zusommengekeilte Menge. 
Kanonenkugeln und Granaten schlugen in die Masse; das Geschrei der Un¬ 
glücklichen übertönte den Kanonendonner der Russen. In Verzweiflung 
stürzten sich viele in den Fluß und wurden größtenteils vom Treibeise mit 
fortgerissen. 
Als die noch kampffähigen Truppen dos jenseitige Ufer erreicht hatten, 
ließ Napoleon die Brücken hinter sich abbrennen, um der Verfolgung der 
nachrückenden Russen zu entgehen. Da stießen die Tausende von Nachzüg¬ 
lern, die die Brücken noch nicht passiert hatten, darunter viele Verwundete, 
Frauen und Kinder ein verzweifeltes Wehgeschrei aus. Eine Anzahl wollte 
sich durch die Flammen hindurch retten, andere sprangen auf die Eisschollen 
und hofften, dos Ufer zu erreichen, noch andere schwammen durch die eisige 
Flut. Aber alle kamen elendig um. Fast 10000 Menschen fielen den Ko¬ 
saken in die Hände. (Nach Paulig und Martens.) 
Überschrift? 
Zusammenfassung: Ter Übergang über die Beresina. 
7. „Der ganze fernere Morsch Napoleons glich einer grauenvollen Treib¬ 
jagd. Man sah nur von Hunger. Kälte und vom Rauch der Lagerfeuer ge¬ 
schwärzte Gesichter. Viele Generale und höhere Offiziere verloren sich in 
der Masse und waren froh, sich an den Biwakseueru der Soldaten erwärmen 
zu können. Überall, wohin die Blicke fielen, sah man nichts als Elend und 
Tod, überall das Geschrei und Ächzen der Unglücklichen, die hilflos am Wege 
hingestreckt mit dem Tode kämpften. Der besseren Kleidung wegen wurden 
höhere Offiziere öfters ausgezogen, noch ehe sie völlig ausgelitten hatten. 
So zogen die Truppenreste durch Wilna, alle Straßen mit Leichen fül¬ 
lend. In dieser entsetzlichen Not verließ Napoleon seine zu Grunde ge¬ 
richtete Armee. In Betten und Pelze gehüllt, eilte er aus einem Bauern- 
schlitten unerkannt durch Deutschland, um seinem Lande als erster die trau, 
rige Kunde vom Untergange der großen Armee zu überbringen. Der letzte
	        
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