Full text: Deutsche Geschichte von der ältesten Zeit bis zum Ende des Großen Krieges (Teil 2)

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nachher schlug einmal der Blitz dicht neben ihm ein. Auch verwundete 
er sich selbst mit seinem Degen am Beine, nicht unerheblich. All das 
zusammen bewegte ihn derart, daß er, zweiundzwanzig Jahre alt, ins 
Augustinerkloster zu Erfurt ging, womit sein Vater durchaus nicht 
einverstanden war. 
Dort im Kloster setzte er sein Studium, fort, aber er wandte sich 
der Theologie zu. Er fand die Bibel in der Bibliothek und vertiefte 
sich hinein. Da bemerkte er, daß manches darin im Widerspruch zur 
Kircheulehre stand. Das machte ihn unruhig. Er verrichtete andächtig 
seine Übungen, that auch alle Arbeiten, die ihm die Pflichten eines Bettel¬ 
mönches auferlegten. Aber innerlich konnte er nicht dadurch befriedigt 
werden. Er betete, fastete, geißelte sich. Er sann und zermarterte sich, 
wie er seine Sünden los und wie er selig werden könne. Die guten 
Werke, die Fürsprache der Heiligen brachten das nach seiner Meinung 
nicht fertig. Da machte ihn ein alter Klosterbruder auf den Bibelspruch 
aufmerksam, daß der Mensch gerecht werde ohne des Gesetzes Werk allein 
durch den Glauben. Und nun hatte es Luther gefunden: allein durch 
den Glauben an Jesus Christus wird der Mensch selig. Seitdem wurde 
er ruhiger. Bald darauf machte man ihn zum Priester, und bei der 
Gelegenheit söhnte er sich auch mit seinem Vater aus. 
Wiedergabe nach Kernfragen. 
Erzähle! 
Teilüberschrift: Luther auf der Universität und im Augu¬ 
stinerkloster zu Erfurt. 
Vertiefung. 
Martin Luther war ein gehorsamer Sohn; er hatte keine Lust zur 
Jurisprudenz, aber er wollte sie studieren, weil es der Vater wünschte. 
Zunächst trieb er Philosophie, die als Grundlage aller Studien galt. 
Er war sehr fleißig und brachte es bald zum Baccalaureus (Lehrer) und 
Magister (etwa — Oberlehrer). Das Treiben der Studenten gefiel ihm 
nicht. Raufen und Trinken und allerlei Unsinn und Mutwillen trieben 
diese, und die Bürger waren machtlos; denn die Studenten konnten nur 
von dem Universitätsgerichte bestraft werden. Das aber drückte die Augen 
zu. In einem dieser Raufhändel wurde nun Luthers bester Freund er¬ 
stochen. Dazu kam der eigene Unfall und der Blitzschlag. Das mußte 
Eindruck auf Luthers ängstliches Gemüt machen. „Wenn du, dachte er, 
so plötzlich ohne Beichte und Absolution aus der Welt abgerufen würdest, 
so wäre deine Seele verloren." Das trieb ihn dazu, seine Sünden ab¬ 
zubüßen, und er glaubte solches am besten im Kloster thun zu können. 
Sein Seelenheil ging ihm über alles. Er wollte nicht mehr Magister 
sein, er achtete den Titel nichts. Er achtete auch den Zorn seines Vaters 
nicht, der all sein Mühen als umsonst ansah.
	        
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