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Staat gelenkt. Der junge König war bisher von allen Geschäften der
Regierung ferngehalten worden, also wenig erfahren. Wie würde es
nun gehen?
1>) Friedrich Wilhelm war ein fröhlicher und aufgeweckter Knabe
gewesen. Er erhielt aber einen ernsten und strengen Lehrer und wurde
daher selbst frühzeitig ernst und hart. An dem leichtfertigen Treiben
am Hofe seines Vaters nahm er keinen Anteil. Er wurde deshalb
zurückgesetzt, und das bekümmerte und verbitterte ihn. Mit Ehr¬
furcht blickte er auf die Regierungszeit seines Grossoheims, des grossen
Friedrich, zurück. Zu solcher Regierungs weise, glaubte er, müsse man
zurückgreifen. Die französische Revolution stiefs ihn ab. Er wurde
ein Feind aller Neuerungen, von denen er nur Unheil erwartete. Leute,
die eine Besserung des Zustandes durch eine gründliche Umgestaltung
der Dinge vornehmen wollten, sah er misstrauisch an. Er nannte sie
„Genies“, womit man sonst grosse Geister bezeichnet; der König meinte
aber damit: gefährliche Plänemacher.
c) Äusserlich war der König ein schöner, stattlicher Mann. Seine
ernsten Züge milderten sich beim Sprechen. Die Sprache klang aber
hart, kurz und barsch; der König setzte gern alle Zeitwörter in die
Nennform, weshalb man ihn scherzweise „König Infinitiv“ nannte.
Aber er meinte es gut mit allen Menschen und wollte sein Volk
glücklich sehen.
Erläuterungen. — Erzähle!
Überschrift: Der König Friedrich Wilhelm HL
Vertiefung.
„Undank ist der Welt Lohn.“ Die elende Hofgesellschaft wird
durch ihr Verhalten beim Tode Friedrich Wilhelms IL gekennzeichnet.
So lange der gutmütige König lebte, waren die Schmeichler und
Schmarotzer überall um ihn her. Nun er stirbt, ist kein Mensch bei
ihm. Es ist das böse Gewissen, das die schlechten Menschen in die
Flucht treibt. Man glaubte, der Kronprinz würde die Missetäter gleich
beim Kragen nehmen. Dieser, jung aber ernst und voll ehrlichen
Willens, war gleichwohl unerfahren. Er kam wie sein Vater zur
Regierung, ohne von Regierungsgeschäften viel zu verstehen. Aber
die Gründe der Zurückhaltung von diesen waren bei beiden Herrschern
verschieden. Friedrich der Grosse glaubte, alles so vortrefflich ein¬
gerichtet zu haben, dass es unter seinem Nachfolger ohne weiteres
gut fortginge; er selbst wollte allein regieren, so lange er lebte.
Friedrich Wilhelm II. oder vielmehr dessen Günstlinge liessen den
Kronprinz darum nicht zu den Staatsgeschäften zu, dass er nicht ihre
unverantwortliche Wirtschaft bemerke. Der Kronprinz wollte aber auch
gar nichts mit diesen Leuten zu tun haben. Es war nun wohl ganz