Full text: Preußisch-deutsche Geschichte vom Ende des Großen Krieges bis zum Beginne des Zwanzigsten Jahrhunderts (Teil 3)

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Staat gelenkt. Der junge König war bisher von allen Geschäften der 
Regierung ferngehalten worden, also wenig erfahren. Wie würde es 
nun gehen? 
1>) Friedrich Wilhelm war ein fröhlicher und aufgeweckter Knabe 
gewesen. Er erhielt aber einen ernsten und strengen Lehrer und wurde 
daher selbst frühzeitig ernst und hart. An dem leichtfertigen Treiben 
am Hofe seines Vaters nahm er keinen Anteil. Er wurde deshalb 
zurückgesetzt, und das bekümmerte und verbitterte ihn. Mit Ehr¬ 
furcht blickte er auf die Regierungszeit seines Grossoheims, des grossen 
Friedrich, zurück. Zu solcher Regierungs weise, glaubte er, müsse man 
zurückgreifen. Die französische Revolution stiefs ihn ab. Er wurde 
ein Feind aller Neuerungen, von denen er nur Unheil erwartete. Leute, 
die eine Besserung des Zustandes durch eine gründliche Umgestaltung 
der Dinge vornehmen wollten, sah er misstrauisch an. Er nannte sie 
„Genies“, womit man sonst grosse Geister bezeichnet; der König meinte 
aber damit: gefährliche Plänemacher. 
c) Äusserlich war der König ein schöner, stattlicher Mann. Seine 
ernsten Züge milderten sich beim Sprechen. Die Sprache klang aber 
hart, kurz und barsch; der König setzte gern alle Zeitwörter in die 
Nennform, weshalb man ihn scherzweise „König Infinitiv“ nannte. 
Aber er meinte es gut mit allen Menschen und wollte sein Volk 
glücklich sehen. 
Erläuterungen. — Erzähle! 
Überschrift: Der König Friedrich Wilhelm HL 
Vertiefung. 
„Undank ist der Welt Lohn.“ Die elende Hofgesellschaft wird 
durch ihr Verhalten beim Tode Friedrich Wilhelms IL gekennzeichnet. 
So lange der gutmütige König lebte, waren die Schmeichler und 
Schmarotzer überall um ihn her. Nun er stirbt, ist kein Mensch bei 
ihm. Es ist das böse Gewissen, das die schlechten Menschen in die 
Flucht treibt. Man glaubte, der Kronprinz würde die Missetäter gleich 
beim Kragen nehmen. Dieser, jung aber ernst und voll ehrlichen 
Willens, war gleichwohl unerfahren. Er kam wie sein Vater zur 
Regierung, ohne von Regierungsgeschäften viel zu verstehen. Aber 
die Gründe der Zurückhaltung von diesen waren bei beiden Herrschern 
verschieden. Friedrich der Grosse glaubte, alles so vortrefflich ein¬ 
gerichtet zu haben, dass es unter seinem Nachfolger ohne weiteres 
gut fortginge; er selbst wollte allein regieren, so lange er lebte. 
Friedrich Wilhelm II. oder vielmehr dessen Günstlinge liessen den 
Kronprinz darum nicht zu den Staatsgeschäften zu, dass er nicht ihre 
unverantwortliche Wirtschaft bemerke. Der Kronprinz wollte aber auch 
gar nichts mit diesen Leuten zu tun haben. Es war nun wohl ganz
	        
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