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behrung kennen. Aufmerksam hatte er auf alle Vorgänge acht und horchte
auf die Mahnung seiner Mutter, als sie zu ihm und dem Kronprinzen
sprach: „Werdet Männer, Helden und befreiet das Vaterland vom Drucke
der Fremden". Seine Mutter liebte er über alles. Als einst die Prinzen
mit der Mutter auf einer Ausfahrt in die Umgebung von Königsberg
rasten mußten — es war ein Rad des Wagens gebrochen —, da setzte
sich die Königin, traurig über die trübe Zeit der Fremdherrschaft, auf
einen Feldstein. Prinz Wilhelm und sein Bruder hätten sie gern erfreut.
Da sie nun nichts hatten und auch nichts anderes fanden, womit sie der
Mutter Freude machen konnten, pflückten sie eine Menge blauer Korn¬
blumen und brachten sie ihr. Sie flocht daraus Kränze und setzte diese
den Kindern auf. Diesen Vorfall vergaß Wilhelm nie, und die blaue
Kornblume ist bis an sein Lebensende seine Lieblingsblume geblieben.
Erläuterungen. — Erzähle: Die Unglücksjahre.
c) Die Gesundheit des Prinzen hatte sich unterdes immer mehr
gekräftigt. Wenn das Fieber ihn packen wollte, so nahm er alle Willens¬
kraft zusammen, um die Anfälle zu überwinden. Nach einer letzten schweren
Erkrankung, in der er mit dem Tode rang, hatte er die Beschwerde
überstanden. Noch mehrere Jahre lang mußte er sich allerdings schonen;
aber so ängstlich wie früher brauchte er nicht mehr um sich besorgt zu sein.
Den ersten geregelten Unterricht nach der Kriegszeit empfing er in
Königsberg. Dort lernte er bei dem Seminardirektor Zeller, der ein
Schüler Pestalozzis war, und daneben wurde er von Offizieren militärisch
ausgebildet. Eine besonders große Gelehrsamkeit wie sein Bruder Friedrich
Wilhelm hat Prinz Wilhelm nie entfaltet. Aber Soldat war er mit
Leib und Seele. In seinem Wesen schlug er dem Vater nach. „Unser
Sohn Wilhelm", schrieb einst die Königin Luise, „wird, wenn mich nicht
alles trügt, wie sein Vater, einfach, bieder und verständig; auch im
Äußeren hat er die größte Ähnlichkeit mit ihm."
Erläuterungen. — Erzähle: Die Erziehung des Prinzen.
(1) Die teure Mutter verlor der Prinz, als er dreizehn Jahre alt
war. Drei Jahre später begann der Kampf gegen die Fremdherrschaft.
Der Kronprinz zog mit aus, aber den Prinzen Wilhelm hielt der König
zurück. „Nicht stark genug sein, daheim bleiben müssen", sagte er. Als
aber dann Alldeutschland nach Frankreich hinein rückte, da bat der Prinz
so dringend, den „Ofen" verlassen zu dürfen, daß ihn der Vater doch
kommen ließ. Und siehe, gleich in der ersten Schlacht (bet Bar-sur-Aube)
ritt der siebzehnjährige Prinz wacker mitten durch den heftigsten Kugel¬
regen und bewies sich äußerst tapfer. Er hatte die Feuertaufe empfangen.
Als Hauptmann zog er mit in Paris ein.
Erläuterungen. — Erzähle: Die Teilnahme an den Be¬
freiungskriegen.