— 3 —
Die Dinge. Die Hundertschaft kam allemal um Neu- und Vollmond,
der Gau zweimal im Jahre, im Frühjahre und Herbste, unter freiem Himmel
auf der Malstatt zum ungebotenen oder echten Ding zusammen. Gebotene
Dinge konnte der König oder Graf außerdem in dringenden Fällen abhalten.
Auf den Malstätten wurde über alle gemeinsamen Angelegenheiten verhandelt,
namentlich Gericht gehalten. Das Ding wurde durch ein allgemeines Mahl
beschlossen.
Das Rechtsleben. Die Gerichtsverhandlungen waren einfach.
Man unterschied Vergehen und Verbrechen. Auf ersteren stand Abgabe
(Buße), auf letzteren Todesstrafe. Die Todesstrafe wurde aber nur über
Leibeigene und Hörige und über solche Freie verhängt, die an der Allgemein¬
heit gesündigt, also Landesverrat, Fahnenflucht, Feigheit oder Heiligtums¬
schändung begangen hatten. Eigentümlich war das Recht der Blutrache.
Es stand nämlich den Verwandten eines Mannes, der von einem andern er¬
schlagen worden war, zu, den Mord an dem Mörder zu rächen, wenn dieser
kein Sühnegeld (Wergeld) zahlte.
Das Kriegswesen. Ein jeder wehrfähige Germane war zum Waffen¬
dienste verpflichtet. Gab es Krieg, dann riefen Eilboten das Volk zusammen.
Auf der Volksversammlung wählte man hierauf den obersten Feldherrn, den
Herzog, der auf den Schild gehoben und umhergetragen ward. Der ge¬
samte Heerbann mußte ihm unbedingt gehorchen. Die Frauen, Kinder,
Alten und Kranken hatte man, wenn's not tat, aus hohe Hügel und Berge,
die mit Steinwällen ringartig umzogen waren, geflüchtet.
Die Schlachtordnung war keilförmig; mit vorgehaltenem Speer und
Schild brachen die Krieger auf den Feind los, indem sie in die Schilde ihren
Kriegsgesang (Barrit) hineindröhnen ließen.
2. Charakter und erstes geschichtliches Auftreten
der alten Germanen.
I. Der Charakter der alten Germanen.
Der sittliche Charakter. Die ganze germanische Erziehung war dar¬
aus gerichtet, das Volk wehrhaft und stark zu machen und zu erhallen. So¬
bald das Kind geboren war, tauchte man es in kaltes Wasser und lehrte
es früh, Wind und Wetter, auch Schmerz zu ertragen. Mit den Kindern
der Hörigen und Leibeigenen kugelte es sich im Hofe herum. Später half
der Knabe das Vieh hüten; das Mädchen mußte die Mutter bei der Arbeit
unterstützen. Schulen gab es nicht. Mit zwanzig Jahren wurde der junge
Germane in der Gauversammlung mündig gesprochen und erhielt Speer und
Schild. Der Mann nahm nur eine Frau und hielt die Ehe heilig; und
wenn die Frau ihm auch untertan war, so achtele er sie doch hoch und beriet
vieles mit ihr. Die Kinder mußten Vater und Mutter unbedingt gehorsam
sein. Ebenso treu wie Mann, Frau und Kinder hielten die Gesippten zu
einander. Wer einen von diesen beleidigte, beleidigte alle.
Der Familiensinn, das einige, häusliche Beisammenleben von Mann
und Frau, von Eltern und Kindern, und das treue Zusammenhalten der
l*