Full text: Deutsche Geschichte von den ältesten Zeiten bis zum Ende des Großen Krieges (H. 2)

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Die Dinge. Die Hundertschaft kam allemal um Neu- und Vollmond, 
der Gau zweimal im Jahre, im Frühjahre und Herbste, unter freiem Himmel 
auf der Malstatt zum ungebotenen oder echten Ding zusammen. Gebotene 
Dinge konnte der König oder Graf außerdem in dringenden Fällen abhalten. 
Auf den Malstätten wurde über alle gemeinsamen Angelegenheiten verhandelt, 
namentlich Gericht gehalten. Das Ding wurde durch ein allgemeines Mahl 
beschlossen. 
Das Rechtsleben. Die Gerichtsverhandlungen waren einfach. 
Man unterschied Vergehen und Verbrechen. Auf ersteren stand Abgabe 
(Buße), auf letzteren Todesstrafe. Die Todesstrafe wurde aber nur über 
Leibeigene und Hörige und über solche Freie verhängt, die an der Allgemein¬ 
heit gesündigt, also Landesverrat, Fahnenflucht, Feigheit oder Heiligtums¬ 
schändung begangen hatten. Eigentümlich war das Recht der Blutrache. 
Es stand nämlich den Verwandten eines Mannes, der von einem andern er¬ 
schlagen worden war, zu, den Mord an dem Mörder zu rächen, wenn dieser 
kein Sühnegeld (Wergeld) zahlte. 
Das Kriegswesen. Ein jeder wehrfähige Germane war zum Waffen¬ 
dienste verpflichtet. Gab es Krieg, dann riefen Eilboten das Volk zusammen. 
Auf der Volksversammlung wählte man hierauf den obersten Feldherrn, den 
Herzog, der auf den Schild gehoben und umhergetragen ward. Der ge¬ 
samte Heerbann mußte ihm unbedingt gehorchen. Die Frauen, Kinder, 
Alten und Kranken hatte man, wenn's not tat, aus hohe Hügel und Berge, 
die mit Steinwällen ringartig umzogen waren, geflüchtet. 
Die Schlachtordnung war keilförmig; mit vorgehaltenem Speer und 
Schild brachen die Krieger auf den Feind los, indem sie in die Schilde ihren 
Kriegsgesang (Barrit) hineindröhnen ließen. 
2. Charakter und erstes geschichtliches Auftreten 
der alten Germanen. 
I. Der Charakter der alten Germanen. 
Der sittliche Charakter. Die ganze germanische Erziehung war dar¬ 
aus gerichtet, das Volk wehrhaft und stark zu machen und zu erhallen. So¬ 
bald das Kind geboren war, tauchte man es in kaltes Wasser und lehrte 
es früh, Wind und Wetter, auch Schmerz zu ertragen. Mit den Kindern 
der Hörigen und Leibeigenen kugelte es sich im Hofe herum. Später half 
der Knabe das Vieh hüten; das Mädchen mußte die Mutter bei der Arbeit 
unterstützen. Schulen gab es nicht. Mit zwanzig Jahren wurde der junge 
Germane in der Gauversammlung mündig gesprochen und erhielt Speer und 
Schild. Der Mann nahm nur eine Frau und hielt die Ehe heilig; und 
wenn die Frau ihm auch untertan war, so achtele er sie doch hoch und beriet 
vieles mit ihr. Die Kinder mußten Vater und Mutter unbedingt gehorsam 
sein. Ebenso treu wie Mann, Frau und Kinder hielten die Gesippten zu 
einander. Wer einen von diesen beleidigte, beleidigte alle. 
Der Familiensinn, das einige, häusliche Beisammenleben von Mann 
und Frau, von Eltern und Kindern, und das treue Zusammenhalten der 
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