Full text: Preußisch-deutsche Geschichte vom Ende des Großen Krieges bis zum Beginne des Zwanzigsten Jahrhunderts (H. 3)

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Schon nach der Schlacht bei Sedan hatte Bismarck mit den süddeutschen 
Staaten Verhandlungen angeknüpft. Diese führten zu dem Ziele, daß Nord- 
und Süddeutschland sich zu einem Bundesstaate, dem Deutschen Reiche, 
vereinigten. Auch wurde beschlossen, dem Reiche wieder einen Kaiser zu 
geben. Das sollte aber nicht wie früher ein Wahlkaiser, sondern ein Ex¬ 
kaiser sein. r 
Die Fürsten und der Reichstag trugen dem Könige Wilhelm von 
Preußen die Kaiserkrone an, und er nahm sie an. Den Tag der Aus¬ 
rufung zum deutschen Kaiser setzte er auf den 18. Januar 1871 fest. 
Sie fand im Spiegelsaale des Versailler Schlosses statt. 
In einer feierlichen Proklamation an das deutsche Volk teilte der neue 
Kaiser mit. daß er die kaiserliche Würde übernehme in dem Bewußtsein der 
Pflicht, in deutscher Treue die Rechte des Reichs und seiner Glieder zu 
schützen, den Frieden zu wahren und die Unabhängigkeit Deutschlands, ge¬ 
stützt auf die geeinte Kraft seines Volkes, zu verteidigen. Er sprach die 
Hoffnung aus, daß dem deutschen Volke vergönnt sein werde, den Lohn 
seiner heißen und opfermütigen Kämpfe in dauerndem Frieden zu genießen. 
Schließlich bat er Gott, daß er ihm und seinen Nachfolgern verleihe, allzeit 
Mehrer des Deutschen Reichs zu sein, nicht an kriegerischen Eroberungen, 
sondern an den Gütern und Gaben des Friedens, auf dem Gebiete nationaler 
Wohlfahrt, Freiheit und Gesittung. 
So war denn endlich Deutschland wieder ein Reich geworden. 
IX. Die deutsche Wettmacht. 
33. Das neue deutsche Reich und feine wirtschaftlichen und 
gesellschaftlichen Zustände. 
I. Das Reich. 
Bald nach dem Vorfrieden zu Versailles fanden die Wahlen zu dem 
neuen deutschen Reichstage statt. Dieser trat in Berlin zusammen, und 
am 16. April 1871 wurde die neue Reichsverfassung als Reichsgrund¬ 
gesetz verkündet. Ein jeder deutsche Kaiser muß sie bei seinem Regierungs¬ 
antritte beschwören. 
Das neue Reich heißt Deutsches Reich. Es bildet keinen Staaten¬ 
bund, sondern einen Bundesstaat. Dieser Bund nach innen und außen 
ist ewig. Es gehören ihm 26 Staaten an, die nach innen selbständig, 
nach außen dem Kaiser als dem Bundesoberhaupte unterstellt sind. Für 
die innere Regierung gelten die Landesverfassung und die Landesgesetzgebung 
der Einzelstaaten. 
Das Reichsoberhaupt führt den Namen Deutscher Kaiser. Es ist 
der jedesmalige König von Preußen, und die Würde ist erblich. Der Kaiser
	        
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