Full text: Preußisch-deutsche Geschichte vom Ende des Großen Krieges bis zum Beginne des Zwanzigsten Jahrhunderts (H. 3)

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Jedes Kind, das den Vater verlor, bekommt bis zum 15. Jahre 15% des 
Verdienstes des Vaters; verliert es auch die Mutter, so bekommt es 20%. 
Die Renten der Witwe und ihrer Kinder dürfen aber zusammen % des 
Lohnes des Verstorbenen nicht übersteigen. Wenn sich die Witwe wieder 
verheiratet, wird ihr der dreifache Betrag der Jahresrente ausbezahlt; sie 
erhält aber dann nichts mehr. 
Die Kosten der Unfallversicherung tragen die Arbeitgeber allein. Da 
Unfälle seltener als Krankheiten sind, so umfaßt die Unfallversicherungskasse 
größere Bezirke. Innerhalb dieser vereinigen sich die Arbeitgeber desselben 
Berufes zu Berufsgenossenschaften. Jede Berufsgenossenschaft hat ihre Unsall- 
kasse, zu der sie die Beiträge leistet und aus der sie die Unterstützungen 
bezahlt. Um etwaige Streitigkeiten zwischen Arbeitern und Arbeitgebern 
zu schlichten, sind Schiedsgerichte eingesetzt. Berufung gegen die Urteile 
können von beiden Seiten beim Reichsversicherungsamte eingelegt werden. 
Zu den Schiedsgerichten und zum Reichsversicherungsamte sind je 2 Arbeiter 
abgeordnet. 
VI. Das Alters- und Invali-envrrjichermigsgeseh. 
Das Alters- und Jnvalidenversicherungsgesetz will allen deutschen 
Arbeitern, wenn sie arbeitsunfähig geworden sind, eine Invalidenrente, 
wenn sie das 70. Lebensjahr vollendet haben, eine Altersrente gewähren. 
Dieser Versicherung beizutreten sind vom vollendeten 16. Jahre ab verpflichtet: 
1. Personen, welche als Arbeiter, Gehilfen, Gesellen, Lehrlinge oder 
Dienstboten gegen Lohn oder Gehalt beschäftigt werden; 
2. Betriebsbeamte, sowie Handlungsgehilfen oder Handlungslehrlinge 
(ausschließlich der in Apotheken beschäftigten Gehilfen und Lehr¬ 
linge), deren Lohn oder Gehalt 2000 Mark nicht übersteigt; 
3. die gegen Lohn oder Gehalt beschäftigten Personen der Schiffs¬ 
besatzung deutscher Fahrzeuge und von Fahrzeugen der Binnen¬ 
schiffahrt. 
Lehrlinge, die außer freiem Unterhalt keinen Lohn beziehen, sind nicht 
versicherungspflichtig, auch dann nicht, wenn sie „Taschengeld" erhalten. 
Zu den Kosten trägt ein Drittel der Versicherte, ein Drittel der Staat 
und ein Drittel der Arbeitgeber bei. 
Nach dem Jahresverdienst unterscheidet man vier Lohnklaffen: I. bis 
zu 350 Mark, II. bis zu 550 Mark, III. bis zu 850 Mark, IV. mehr als 
850 Mark. Die Wochenbeiträge betragen für diese Lohnklassen 14, 20,24, 
30 Pfennige. Die Quittungskarte, die von der Versicherungsanstalt unent¬ 
geltlich geliefert wird, hat der Arbeitnehmer zu besorgen. Der Arbeitgeber 
aber kauft die Marken und klebt sie ein; die Hälfte des Beitrags zieht er 
dem Arbeitnehmer vom Lohne ab. 
Die Quittungskarte bleibt in den Händen des Versicherten. Steht ein 
Arbeitnehmer im Lause einer Woche bei verschiedenen Arbeitgebern in Arbeit, 
so muß der erste Arbeitgeber die Marke einkleben. Die gefüllte Karte wird 
gegen eine neue an der Versicherungsstelle umgetauscht.
	        
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