Object: Geschichte der neueren Zeit (Teil 3)

Das Zeitalter der Aufklärung. V 84—8. 
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wurde; in Wien vor allem fand die edle Tonkunst ihre Heimat: hier 
sollte sich bald an Gluck, Haydn, Mozart der Rheinländer Beethoven 
reihen. Seitdem das von Gottfried Silbermann erfundene Hammer¬ 
klavier das Spinett verdrängte, kam auch die Hausmusik zu voller 
Wirkung. 
Wie vormals die,,Kavaliere", unternahmen jetzt reiche Bürger¬ 
söhne große Reisen, die ihrer Bildung, aber auch ihren geschäftlichen 
Beziehungen dienlich waren. 
6. Noch immer waren die Stände nach Tracht und Lebensführung 
streng voneinander geschieden, die Bauern mißachtet; trotzdem nahm 
auch das Bürgertum an der neuen Bildungsarbeit teil: Leipzig zählte 
schon über dreißig Buchhandlungen und achtzehn große Buchdruckereien; 
das Hökerweib hinter dem Käsekorb las wie die Dame bei der Toilette. 
Die Zeitschriften mehrten sich, politische Tagesblätter wurden eifrig 
gelesen; weit verbreitet war Schubarts „Deutsche Chronik". 
7. Die Dichtung der „Sturm und Drang"-Periode erschloß auch 
den Sinn für das Land und die Landschaft: ein Jahr nach Fried¬ 
richs II. Tod erstieg der Genfer Naturforscher de Saussure zum 
erstenmal den Montblanc. Herzog Karl August und Goethe ent¬ 
deckten die Herrlichkeit der Alpenwelt, Johann Peter Hebel und seine 
Freunde den Zauber der Schwarzwaldberge. Bald nachher wurde 
in Heiligendamm bei Dobberan das erste Seebad errichtet, während 
durch Männer wie Klopslock und Goethe Flußbad und Schlittschuh¬ 
lauf zu Ehren kamen. 
8. Auch das Alltagsleben gestaltete sich freier und schlichter. Dem 
Sinn für Ernst und Ehrlichkeit entsprach eine einfachere Sprache. Das 
farbige Seidenkleid wich dem dunkeln Tuchrock der Männer, die 
Perücke dem Zopf, den Karl August früh ablegte; bald trug jeder 
sein natürliches Haar. Das „vornehme Frauenzimmer" verschmähte 
Reifrock und Schminke und trug offenes Haar und lange Gewänder. 
Mit dem Verschwinden der Förmlichkeit wurde auch das Familien¬ 
leben ungezwungener, wärmer. Freilich wurde der „Herr Vater" von 
der „Frau Mutter" und den Kindern noch mit scheuer Ehrfurcht be¬ 
trachtet, während die Knaben als kleine Herren mit Puderperücken 
und Galanteriedegen, die Mädchen im Geschmack des Rokoko mit 
Puder und Schönheitspflästerchen herausgeputzt und zum Menuett 
abgerichtet wurden, unbeschadet der Schläge, die eine gottesfürchtige 
Erziehung noch immer für nötig hielt.
	        
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