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er nicht von dir lasse und meine Thränen dir nicht zum ewigen Unheil
gereichen." Und in einem Briefe an Corvinus suchte sie die Gefangenen
zu trösten. »Wir ermahnen euch," schrieb sie, »nach dem Beispiele Christi
getrost und beständig euer Leiden zu tragen und als die Berufenen des¬
sen auszuharren, für den ihr Verfolgung leidet. Gott sei eö geklagt,
daß euch solches von unserm Fleisch und Blut widerfahren soll. Ihr
aber, wanket nicht, sondern seiv beherzt) streitet ritterlich im Bekenntniß
des reinen Glaubens; haltet an im Gebet; hoffet auf den starken Retter,
und seid versichert, daß wir alle christlichen Mittel und Wege für eure
Erledigung suchen werden." Der Brief kam aber nicht in Corvinus
Hände; ihr Sohn ließ ihn dem Boten abnehmen. Auch daß sie sich bei
ihm für die Gefangenen verwandt hatte, war vergeblich. So saß denn
Corvinus einsam, ohne Zuspruch von Freunden. Nur zuweilen kam der
Prediger Dedekind von Neustadt am Rübenberge, um seinen gefangenen
Freund aufzusuchen und Zwiesprache mit ihm vor dem Fenster zu halten.
Auch an andern Orten verfolgte Erich die evangelischen Prediger.
Den Superintendenten Mvrlin vetrieb er aus Göttingeu; die beide» Pre¬
diger von Dransfeld verließen um seiner Drohungen willen die Stadt.
Die beiden gefangenen Prediger auf Kalenberg aber wurden bis Ende
1552 im Gefängniß gehalten; dann entließ er sie auf ernstliches Zure¬
den des evangelischen Markgrafen .Albrecht von Brandenburg uud das
Flehen der Mutter. Corvinus gelaugte iu den ersten Tagen dsö Jahres
1553 krank in Hannover an. Seines Leibes Kraft war durch die lange
Haft gebrochen. Drei Monate später starb er. Prediger trugen die Leiche
nach der Kirche von Sct. Georg (der Marktkirche). Beim Anschlägen
der Glocken fuhr Erich auf und fragte, was das Geläute bedeute, und
als er horte, daß man Corvinuö begrabe, gingen ihm die Augen über,
tlnd er schloß sich in seine Kanuner ein. Ob er der Tage gedachte, da
er, ein harmloser Knabe, an den Lippen des entschlafenen Lehrers hing,
der ihm das Wort des Lebens sagte? Er hatte dem Verkündiger deö
göttlichen Worts mit dem Lohne der Welt gelohnt, das Wort aus sei¬
nem Herzen gerissen, den Muttersegen in Fluch verwandelt.
4. Ueber das Evangelium in den Landen Kalenberg und Göttin-
gen wachte aber der Herr. Um der Unterthanen Beihülse wider seine
Feinde zu erlangen, versprach Erich 1553 auf einem Landtage in Han¬
nover, Gottes Wort hinfort ohne Hinderung lehren zu lassen. Zugleich
stellte er, da er in die Ferne zu ziehen gedachte, seine Mutter an die
Spitze der Regierung. Nun wurden die vertriebenen Prediger wieder
eingesetzt, und die Kirche befestigte und baute sich immer mehr.
Elisabeth starb am 25. Mai 1558 im Frieden Gottes, aber mit
Gram über das wüste Leben ihres Sohnes. Dieser hatte die treue Mut¬
ter tief bekümmert, die fromme Gemahlin verlassen. So trieb er sich
meist, ohne Liebe zur Heimat, in fremden Landern, in Spanien, Frank¬
reich, den Niederlanden und Italien umher und mühte sich in wüstem,
rastlosem Treiben ab, um die Stimme im Innern zu übertäuben, die an
Eid und fürstliche Gelübde, an Gott und Menschen mahnte. Sv suchte
er in der Fremde, was er in der Heimat verschmähte, bis ihn in Jta-