Full text: Die organische Eingliederung der Heimat- und Stammesgeschichte in die Reichsgeschichte

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uns auch die Wege an, auf welchen wir zu den Quellen gelangen 
können; aber es bleibt Sache des Lehrers oder doch anderer historisch 
interessierter und geschulter Männer, an der Hand der historischen 
Wissenschaft und aus den durch die Volkskunde gewiesenen Wegen 
das heimische Gebiet nach geeigneten Stoffen zu durchforschen und 
diese zu sammeln. Was dabei von unserm Standpunkte aus ge¬ 
fordert werden muß, das liegt zum Teil zerstreut in Akten und 
Chroniken, in Liedern, Sprüchen, und volkstümlichen Über¬ 
lieferungen, in mündlichen Berichten, in Briefen, privaten Auf¬ 
zeichnungen, Zeitungsberichten und Tagebüchern; das muß zum 
anderen Teile aus Feld-, Flur- und Ortsnamen, aus der Anlage 
der Häuser, aus manchen Eigenarten in Sprache, Sitte, Brauch 
und Kleidung durch sorgfältige Rückschlüsse und Bezugnahmen ge¬ 
wonnen werden. 
Es kommt nun darauf an, diese und andere Quellen 
heimischer Geschichte mit kundigem Blick und richtigem 
Verständnis zu erschließen und in die Schule zu leiten. 
Das ist allerdings leichter gesagt als gethan; denn der Er¬ 
füllung dieser Forderung stellen sich bedeutende Schwierigkeiten 
entgegen. 
Mit kundigem Blick und richtigem Verständnis! Da 
liegt die erste Klippe, an der die angestellten Versuche leicht zerschellen 
können. Für was alles soll der Lehrer, namentlich der Landlehrer, 
einen kundigen Blick und richtiges Verständnis haben! Er soll 
sein ein Meister seiner Schule, ein fertiger Organist, ein Wächter 
der Kirche, ein Hüter des heimischen Volkstums, ein Pfleger der 
Gemeindewohlfahrt, sei es nun als Obstbaumzüchter, als Bienen¬ 
wirt, als Rendant einer Genossenschaftskasse oder als Dirigent des 
Gesangvereins und Förderer anderer Vereine. Diesterweg verlangt 
von ihm, daß er ein „Naturforscher" sei, und nun kommen wir 
und fordern, daß der Lehrer auch noch zum Erforscher seiner 
heimischen Geschichte werde. Eine Person kann für alle diese 
Dinge nicht das gleiche Verständnis haben. Was an Vielseitig¬ 
keit verlangt wird, muß naturgemäß an Tiefe verloren gehen, 
und gerade die Tiefe, das Eindringen in einen Gegenstand ist es, 
was hier gefordert werden muß. Es werden daher nur diejenigen 
Lehrer die gestellte Aufgabe lösen können, die historisches Interesse 
und Sinn für heimisches Volkstum haben. Und auch diese werden 
jahrelanger Studien bedürfen, um sich den „kundigen Blick" zu 
verschaffen, zumal bei der Vorbildung auf unsern jetzigen Semi¬ 
naren, die für eine in unserm Sinn vertiefte Auffassung der Ge¬ 
schichte nur wenig zu thun vermögen, sollen nicht andere notwendige 
Dinge darunter leiden. Dennoch haben viele Lehrer — meistens 
von angeborenem Interesse getrieben— es als eine ihrer vornehmsten 
volkspädagogischen Aufgaben betrachtet, das heimische Volkstum in
	        
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