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Geschichte.
eines Krieges hinter der kämpfenden Front soviel wertvolle Kulturarbeit geleistet
worden als jetzt in Polen.
2. Die Herbstschlacht im Westen. Als die verbündeten deutschen und österreichischen
Truppen im Juli ihre erfolgreiche allgemeine Offensive gegen Rußland begannen,
erwartete man täglich im Westen einen neuen französisch-englischen Durchbntchsversuch,
ähnlich wie unsere Offensive in Galizien anfangs Mai die Kämpfe bei Arras auslöste.
Doch die Feinde blieben im Westen vorläufig noch mhig. Ihre umfassenden Vorbe¬
reitungen zu einem Kampfe, der Erfolg versprechen konnte, waren offenbar noch nicht
abgeschlossen. Inzwischen wurde in den französischen, englischen und nordamerikani¬
schen Waffen- und Munitionsfabriken mit Hochdruck gearbeitet, eine große Zahl von
Geschützen und Gewehren, Berge von Granaten, Schrapnells, Minen, Bomben und
Gewehrpatronen wurden angefertigt und bereitgestellt, eifrig übte man neue Truppen
ein und rüstete sie neu aus. Zum erstenmal erhielten die französischen Soldaten Stahl¬
helme statt der bisherigen Käppis. Zweitausend schwere und dreitausend Feldgeschütze
wurden hinter den französischen Stellungen aufgefahren, und 93 französische Divisionen
(jedenfalls über eine Million Kämpfer) waren auf einer Front von 35 km in der Cham¬
pagne und 15 km bei Arras zusammengezogen worden und warteten auf das Zeichen
zum Angriff. Feindliche Flieger setzten hinter unserer Front Personen ab, die mit
Sprengstoffen bewaffnet waren, um im gegebenen Augenblick Brücken und Eisenbahnen
zu zerstören und so die Verschiebungen unserer Truppen hinter der Front zu stören.
So war der Kampf von der feindlichen Heeresleitung sorgfältig vorbereitet worden.
Er sollte an verschiedenen Stellen unsere Front durchstoßen, diese dann ganz aufrollen
und so Frankreich und Belgien mit einem Schlage von den verhaßten Deutschen be¬
freien. Der französische Generalissimus Josfre wollte so den Kampf an den Rhein
tragen; auch sollten die Balkanstaaten aus ihrer noch schwankenden Haltung auf die
Seite des Vierverbandes gezogen werden.
Am 25. September setzte der gewaltige Kampf im Westen ein. Gleichzeitig ver¬
suchten die Engländer bei Loos, südwestlich von Lille, und die Franzosen bei Arras
und in der Champagne unsere Stellungen zu durchstoßen. Den gewaltigsten Stoß
hatte unsere Front in der Champagne auf eine Länge von etwa 35 km westlich von
den Argonnen auszuhalten.
Ein gewaltiges Artilleriefeuer hatte seit dem 22. September den Angriff vor¬
bereitet. 50 bis 75 Stunden lang lagen unsere Stellungen unter der Wirkung des tod¬
bringenden Eisenhagels. Zunächst beschossen die Franzosen in der Champagne aus
weittragenden Geschützen Straßen und Eisenbahnen hinter unserer Front, um uns das
Heranschaffen neuer Reserven zu unterbinden, dann verlegten sie das Feuer auf unsere
Reserven und die Dörfer hinter der Front; zuletzt richteten sie ihr Feuer auf unsere
eigentlichen Verteidigungsstellungen selbst. Hier steigerte es sich am 24. und am Vor¬
mittage des 25. September zu einem so furchtbaren Trommelfeuer, wie es der gegen¬
wärtige Krieg und die Kriegsgeschichte aller Zeiten nie erlebte. Ein Kriegsbericht¬
erstatter schätzt auf eine Stunde 900 000 feindliche Geschosse, und eine Schweizer Zeitung
berechnet, daß in der Zeit vom 22. bis 29. September von Franzosen und Engländern
etwa 50 Millionen Geschosse verfeuert wurden. Unsere vordersten Schützengräben
waren fast auf der ganzen Champagnefront eine formlose Masse geworden. Nachdem
die Franzosen dann mächtige Gasmassen auf unsere Schützengräben geleitet hatten,
begannen sie den eigentlichen Sturmangriff, währenddessen sie hinter unsere vor¬
derste Linie ein gewaltiges Sperrfeuer legten. In dichtgeschlossenen Sturmwellen.