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besiegt. Aber während er noch gegen den Polenkönig kämpfte, hatte Peter
der Große begonnen, die Länder am finnischen Meerbusen zu unterwerfen
und am Ausflusse der Newa bereits den Grund zu Petersburg gelegt.
Mitten im Winter zog Karl unter den unsäglichsten Beschwerden
durch Polen und Litthauen, Länder, durch die man selbst im Sommer un¬
gern reist. Als er aber durch die Gegend von Smolensk gekommen war,
änderte er, aus die Vorschläge des Kosaken-Hetmanns Mazeppa, seinen
Plan, und murschirte nach der Ukraine, in der Hoffnung, daß die dorischen
Kosaken, welche damals im Kriege mit dem Czaren waren, sich mit seiner
Armee verbinden würden.
Wirklich schlossen sich auch einige Bewohner des Landes an ihn an;
aber Mazeppa wollte oder konnte die Hilfe nicht verschaffen, die er ver¬
sprochen hatte. Die beschwerlichen Märsche, der Mangel an Lebensmitteln
und die beständigen Angriffe des Feindes ermüdeten die Soldaten und
rieben eine große Menge aus. Der General Löwenhaupt, welcher
Verstärkungen und Lebensmittel aus Liefland herbeiführen sollte, langte nur
mit wenigen durch den Marsch und beständige Gefechte mit den Russen
erschöpften Schweden an. Man war bis Pnltawa gekommen, und dieser
Ort sollte angegriffen werden, als Peter sich mit 70,000 Mann ent¬
gegenstellte. Karl wollte seinen Feind von weitem besichtigen, ward aber
bei dieser Gelegenheit gefährlich am Schenkel verwundet. Indeß rückten
die Russen heran, und der König beschloß, ihnen die Schlacht anzubieten.
Am 8. Juli 1709 ward jene berühmte Schlacht geliefert. Karl
wohnte derselben auf einer Tragbahre bei; aber der Mangel feiner persön¬
lichen, die Soldaten ermunternden Gegenwart auf den jedesmal bedrängten
Punkten ward Ursache, daß die Schweden nicht _ in dem Maße wie sonst
ihren Muth und ihre Kriegskunst entwickelten, die ihnen so oft den Sieg
verschafft hatten. Sie mußten der Uebermacht weichen, ihre Reihen lösten
sich auf, und der Feind trug einen vollständigen Sieg davon. Karl, der
seit 10 Jahren das Glück an seine Waffen gefesselt hatte, sah seine Generale
und die Blüthe seines Heeres in die Gewalt jener bei Narva so leicht
besiegten Russen fallen. Er selbst entsteh mit einer kleinen Bedeckung,
mußte, trotz der Schmerzen seiner Wunde, mehrere Meilen zu Fuß machen
und kam fast allein zu Bender auf dem türkischen Gebiete an, wo^ er
seine Zuflucht suchte. Sein auch hier nicht unbekannter Reime erwarb ihm
eine ehrenvolle Aufnahme.
Kaum war die Nachricht von der Niederlage der Schweden bekannt
geworden, als Karls Feinde sich mit neuer Hoffnung erhoben. Angnst II.
erklärte den mit Karl in Altranstädt abgeschlossenen Frieden für erzwungen,
kehrte nach Polen zurück, verband sich mit dem Czaren und verjagte bald
seinen Gegner Lesczinski vom polnischen Throne. Auch Friedrich IV.
von Dänemark erklärte den Schweden den Krieg. Alle drei fielen nun
über die schwedischen Provinzen her, und wären die braven Schweden nicht
so tapfer gewesen, so hätte Karl jetzt sein ganzes Land verloren.
Der König von Schweden unterhandelte indeß zu Bender mit dem
Sultan, wußte die Minister, welche ihm entgegen waren, zu entfernen und
brachte es dahin, daß die Türken den Russen den Krieg erklärten. Beide
Armeen trafen am 1. Juli 1711 an den Ufern des Pruth zusammen.