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Geschichte.
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XVIII. Kulturzustände im 16. und 17. Jahrhundert.
1. Die Landwirtschaft.
a) Vor dem 30jährigenKriege. Am Ausgang des Mittelalters lebten die
Bauern in guten Verhältnissen. Da die Land- und Forstwirtschaft mit besserem
Verständnis betrieben wurde als früher, steigerten sich auch die Erträge.
Die aus Holz und Lehm erbauten uud mit Stroh gedeckten Bauernhäuser ent¬
hielten gut gearbeiteten Hausrat: die Leinen- und Kleidertruhen waren gefüllt,
und auf den bäuerlichen Hochzeiten, Kindtaufen und Begräbnissen sowie auf
den Kirchweihfesten ging es hoch her. Im Stall stand zahlreiches, wohlge¬
pflegtes Vieh, und hinter dem Hause lag ein geräumiger Obst- und Gemüse¬
garten. Nach der Niederwerfung der Bauernaufstände gerieten jedoch die
Bauern in große Abhängigkeit von den Gutsbesitzern und wurden durch Ab¬
gaben und Feldarbeiten auf den Gütern (Scharwerk) sehr gedrückt.
Um diese Zeit trat auch in der Verwaltung großer Güter ein Umschwung
ein. Die Gutsherren hatten die Erfahrung gemacht, daß die Pachtwirtschaft
oft weit bessere Erträge lieferte als die Bebauung des Landes durch ver¬
drossene Leibeigene; deshalb machten sie zum großen Teil ihre Leibeigenen
zu Zeitpächtern oder gar zu Erbpächtern ihrer Güter. Solchen Pächtern
wurden auch meistens die fürstlichen Hausgüter (Domänen) übergeben, die
durch die Einziehung von Kirchengütern in protestantischen Landen bedeutend
vergrößert und vermehrt worden waren. Hier und da suchte man sogar durch
Rodung der Forsten und Entwässerung von Mooren Kolonien für besitzlose
Bauern zu gründen und erließ zur Förderung der Landwirtschaft besondere
Gesetze, die man Landesordnungen nannte. Auch Vieh- und Pferdezucht,
Gemüse-, Obst- und Weinbau nahmen einen bedeutenden Aufschwung,
namentlich auf den fürstlichen Gütern.
b) Nach dem 30jährigen Kriege. Alle schönen Keime des Fortschrittes
wurden jedoch durch den großen Krieg vernichtet. Die einst so blühenden Fluren
waren zur Wüste geworden, und die meisten Dörfer lagen in Trümmern. In
den verwüsteten Städten standen viele Häuser unbewohnt; Mord und Ver¬
folgung, Hunger und Pest hatten den größten Teil der Bewohner dahingerafft,
so daß große Landstrecken herrenloses Gut waren. Den wenigen Bauern fehlte
es an Saatgetreide, Ackergeräten und Zugvieh, ihre Äcker zu bestellen. Dazu
waren sie durch den Krieg verwildert und arbeitsscheu geworden.
Hilfskräfte konnten sie sich auch nicht annehmen, weil der lange Krieg ihr
Vermögen verzehrt hatte. So mußte sich der Bauer darauf beschränken, durch
die Landwirtschaft das zu erzeugen, was er für sich und die Seinen zum Unter¬
halt brauchte. Auch dies wurde ihm schwer genug, weil er durch Steuern und
Abgaben schwer belastet war und in mancher Beziehung seinem Gutsherrn gegen¬
über rechtlos dastand. Er mußte harte Frondienste leisten in Feld und Wald
und bei den vielen Jagden als Treiber oder Aufpasser dienen ohne Rücksicht
darauf, ob seine eigenen Äcker unbestellt blieben, seine Feldfrüchte verdarben,
zertreten oder durch das zahlreiche Wild vernichtet wurden. Konnte er nicht
Hirts neues ReaUenbuch. Geschichte. b ES