I
Geschichte.
43
immer größer. Der Bauernstand versank allmählich fast ganz in Hörigkeit und
Leibeigenschaft. Dazu hatte er unter den Kämpfen der Ritter viel zu leiden.
Weil die Burgen schwer zu erobern waren, zerstörte man die Dörfer, die den
feindlichen Rittern gehörten, trieb den Bauern die Herden weg und verwüstete
ihre Äcker. Ihr Elend wurde mitunter so groß, daß sie die Lust zur Arbeit
verloren und mit ihrem Lose sehr unzufrieden wurden, was später zu den
Bauernkriegen führte. Nur in Westfalen, Friesland, Bayern, Schwaben und
in der Schweiz hatten sich viele freie Bauern erhalten. Sie wohnten in
stattlichen Höfen, lebten in Wohlstand und suchten ihre Rechte und Freiheiten
zu wahren. Den Schweizer Bauern gelang es sogar, im Kampfe für Freiheit
und Recht Ritterheere zu besiegen.
4. Bildungswesen.
a) Fahrende Schüler. Als im Mittelalter die Kloster- und Domschulen
in Verfall gerieten und das Ritterwesen entartete, nahmen sich die aufblühenden
Städte der Jugendbildung an und errichteten von der Mitte des 13. Jahrhunderts
ab Stadtschulen. An der Spitze jeder Schule stand ein Rektor, der von der
Stadt aus ein Jahr angenommen wurde, Wohnung und Schulräume zugewiesen
erhielt und sich verpflichten mußte, Lesen, Schreiben und Latein zu lehren
und die Kinder „höfisch" zu behandeln. Neben ihm war ein Kantor fest angestellt;
dem Rektor stand es jedoch frei, auch Hilfslehrer anzunehmen. Wenn es nun
den Lehrern an einer Schule nicht gefiel, so zogen sie weiter, von Ort zu Ort,
und suchten sich aus ihrer Wanderung als „fahrende Leute" durch Prophezeiungen
über das Wetter, durch Geisterbeschwörungen und andre Künste bei der
unwissenden Landbevölkerung ihren Unterhalt zu erwerben. Der Wandertrieb
ergriff aber auch die Schüler; sie zogen entweder mit einem beliebten Lehrer
mit oder suchten Schulen auf, die in gutem Ruf standen. Die fahrenden Schüler
hießen Vaganten (Umherschweifende). Dieser Name wurde aber oft in
„Bachanten" (Bachusbrüder) verdreht, weil sie sich gar leicht der Schwelgerei
ergaben. Ost setzten sie ihre Wanderungen bis zum 30. Lebensjahre fort. Sie
wurden stets von einer Anzahl jüngerer Schüler begleitet, die man „Schützen"
nannte, weil sie ihre Bachanten durch Betteln und Stehlen (Schießen) unter¬
halten mußten. Als Lohn erhielten sie oft Schläge, auch mußten sie nicht selten
Hunger leiden, aber dennoch blieben sie ihren Bachanten treu. Von den fahren¬
den Schülern erlangten wenige eine gelehrte Bildung; denn das ungebundene
Leben gefiel ihnen besser als das Lernen. Durch Verbreitung von guten Büchern
konnte die Volksbildung auch nicht gefördert werden; denn die geschriebenen
Bücher waren feiten, teuer und in lateinischer Sprache versaßt, so daß sie das
Volk nicht verstand. So blieb trotz der Stadtschulen die Volksbildung auf sehr
niedriger Stufe stehen; das Zusammenströmen von fahrenden Lehrern und
Schülern aber trug viel dazu bei, die Sitten zu verderben und die Ordnung
zu stören.
b) Frauenbildung. Während der Adel auf den Burgen für die Aus¬
bildung der Ritterfräulein im Lesen und Schreiben, in Saitenspiel und Gesang