fullscreen: Deutsches Lesebuch für städtische und gewerbliche Fortbildungsschulen

305 
die Brandenburger in Nachteil. Als dies der Kurfürst gewahrte, eilte er 
an den gefährdeten Platz. Nach der Chronik glichen seine Augen „zween 
funkelnden Kometen“. Er stellte sich an die Spitze der Schwadronen und 
rief: „Getrost, tapfere Soldaten, ich, euer Fürst und nun euer Hauptmann, 
will siegen oder ritterlich mit euch flerben.“ Dann ging es vorwäris. Der 
Kurfürst ward von den Schweden, die mit oft bewährter Tapferkeit fochten, 
umringt; aber neun brandenburgische Reiter ließen ihre Klingen sausen und 
hieben ihn wieder heraus. Noch eine Weile schwankte die Schlacht. Da 
nahm die brandenburgische Reiterei, an deren Spitze die Gestalt Derfflingers 
hervorstach, einen wuchtigen Anlauf. Das brachte die Entscheidung; die 
Schweden wankten, wichen, flohen. Anfangs fanden die Fliehenden in 
Fehrbellin Schutz. Als man zu einer Beschießung der Stadt riet, sagte 
der Kurfürst: „Ich bin nicht gekommen, mein Land zu verwüsten, sondern 
es zu retten.“ Bald gelang es vollständig, die Schweden aus dem Lande 
zu vertreiben. Mit der ihnen abgenommenen Kriegsbeute wurden die ge⸗ 
plünderten Einwohner entschädigt. 
Die Schweden wurden dann rastlos verfolgt; Friedrich Wilhelm er— 
oberte Vorpommern mit Stettin und die Insel Rügen. Die Früchte 
dieser glänzenden Waffentaten sollte er aber nicht genießen. Vom deutschen 
Kaiser im Stich gelassen, mußte er der Forderung Ludwigs XIV. nachgeben 
und auf seine Eroberungen verzichten. Nur den Ruhm konnte man ihm 
nicht rauben. Voll Schmerz rief der edle Kurfürst aus: „Möge einst aus 
meinen Gebeinen ein Rächer entstehen!“ 
Was dem Kurfürsten Friedrich Wilhelm aber zu noch höherem Ruhm 
gereicht, als die vielen von ihm erworbenen Kriegslorbeeren, das ist die 
weise Fürsorge, die er dem Wohlergehen seiner Untertanen, über— 
haupt der inneren Entwicklung seines Reiches widmete. So zog er aus 
der Schweiz und den Niederlanden tüchtige Kolonisten ins Land und be— 
schenkte oder begünstigte sie. Die wegen ihres Glaubens aus Frankreich 
vertriebenen Protestanten Gugenotten) — gegen 30000 — fanden 
in seinen Staaten eine Zuflucht, sie brachten durch ihren Fleiß und ihre 
Kunstfertigkeit das Land auf eine höhere Stufe des Wohlstandes. — Er 
förderte den Ackerbau, indem er Saalkorn, Ackergerät und Vieh darbot; 
auch zum Obst- und Gartenbau hielt er die Landleute ann Wer heiraten 
wollte, mußte zuvor sechs junge Eichen gepflanzt und sechs Obstbäume ver— 
edelt haben. In seinem Lustgarten hinter dem Berliner Schlosse, wie in 
seinem Küchengarten, legte er selbst Hand an beim Säen, Pflanzen, Ver— 
edeln usw. und zog feinere Gemüse, die ihm aus Holland geliefert wurden. 
Ebenso veranlaßte er den Anbau der Kartoffeln und des Tabaks. Seine 
Gemahlin Luise Henriette ward ihm auch bei diesen Dingen eine getreue 
Gehilfin. Um die Bildung in seinem Lande zu heben, gründete er Volks— 
schulen, legte eine öffentliche Bibliothek an und förderte auf alle Weise ge— 
werbliche, künstlerische und wissenschaftliche Tätigkeit. So verdiente er 
auch durch seine Friedenswerke in vollem Maße den ehrenden Beinamen 
„der Große Kurfürst.“ 
Nach 48jähriger, unausgesetzter Arbeit für das innere und äußere
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.