Full text: Handbuch der allgemeinen Weltgeschichte

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Irrthümlich wurde Dürer lange für den Erfinder des Radirens gehalten. Die 
Kunst mit ätzender Flüssigkeit auf Metall zu graviren war schon im Mittelalter 
bekannt, und man wandte sie vorzüglich zur Verzierung der Waffen an. Radirte 
Platten zum Abdruck zu benutzen, verstand man schon im 45. Jahrhundert. Die 
ältesten Blätter, die man kennt, gehören einem niederländischen Meister an; eine 
Radirung von Wenzel von Olmütz trägt die Jahreszahl 1496, mährend keine der 
bekannten Dürerschen über das 16. Jahrhundert zurückreicht. Allein Dürer erreichte, 
besonders in seiner Radirung „der heilige Hieronymus auf der Felsbank", die Höhe 
der Kunst und blieb darin selbst von dem großen holländischen Meister des 17. 
Jahrhunderts, Rembrandt, unübertroffen. Das Radiren kann von jedem im Zeich¬ 
nen erfahrenen Künstler ausgeübt werden, ohne durch lange Uebung zu überwindende 
Schwierigkeiten der Technik, wie bei der Grabstichelkunst, weshalb bedeutende Maler 
aller Schulen sich gern in dieser Kunst versuchten. Derartige Kunstblätter werden 
als Originalarbeiten der Meister selbst besonders geschätzt. 
In die Jahre 1637—1641 fällt die Erfindung der Schabmanier oder der soge¬ 
nannten schwarzen Kunst durch den kurhessischen Oberstlieutenant Ludwig von Siegen. 
Dieser theilte sein Geheimnis dem Prinzen Ruprecht von der Pfalz mit, welcher, 
da er selbst Versuche machte, irrthümlich als Erfinder der Schabkunst angesehen 
wurde. Durch den Prinzen Ruprecht wurde dieselbe nach London gebracht, wo sie 
später zur höchsten Vollkommenheit durch Green und Earlom gelangte. Aus der 
schwarzen ging die farbige Schabkunst hervor, welche der 1670 zu Frankfurt a. M. 
geborene Jakob Christoph Le Blon erfand. 
Als besondere Gattungen der Kupftrstecherkunst sind hier noch die Punktir- und 
die Aquatintamanier zu erwähnen. Eine neuere Erfindung ist, statt der Kupfer¬ 
platten Stahlplatten zu benützen, deren größere Dauerhaftigkeit eine viel höhere An¬ 
zahl von guten Abdrücken zu machen erlaubt. Kupferstiche werden jedoch wegen 
ihres höheren Kunstwerthes mehr geschätzt als Stahlstiche. Die Lithographie (der 
Steindruck) ward 1793 von Aloys Sennefelder in München erfunden und im Laufe 
unseres Jahrhunderts wurden die verschiedenen Manieren dieser Kunst ausgebildet 
und zu großer Vollkommenheit gebracht. 
Brillen und 7) Die Erfindung der Brillengläser war für das Studium der Astro- 
Fernröhren. n0m|e insofern von großer Bedeutung, als sich unmittelbar an sie die Herstellung 
der Fernröhren zur Erforschung des Himmelsraumes reihte. Die alten Griechen 
und Römer kannten eben so wenig, wie die orientalischen Völker die Brillen oder 
Augengläser. Um 1290 soll der florentinische Edelmann Salvino degli 
Armati sie erfunden und der Mönch Alexander de Spina sie verbessert ha¬ 
ben. Man bemerkte bald, daß, je stärker gewölbt ein Glas war, um so stärker es 
die Gegenstände vergrößerte (Mikroskop). Erst später um 1600 erfand der Brillen¬ 
macher Johann Lippersein in Middelburg, dadurch, daß er ein erhabenes und 
ein hohlgeschliffenes Glas zufällig in eine Röhre zusammenbrachte, das Fernrohr 
oder Perspektiv, welches Galileo Galilei nach der erhaltenen Mittheilung 
sich selbst herrichtete und zuerst nach dem Himmel richtete. Die Anwendung des 
Hohlspiegels in den Teleskopen führte der Schottländer Gregory um 1660ein. 
§ 82. 
Das Nitterwesen. 
Entstehung Das Ritterthum ist eine der glänzendsten Erscheinungen des Mittelalters 
%S.eraund entstand, als der bei den Germanen übliche Heerbann aufgehört hatte,
	        
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