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Gemeinwesens, ja der Herr von Athen wurde, so daß Thucybibes mit Recht sagen
konnte, in Athen sei zwar dem Namen nach eine Demokratie gewesen, in Wirk¬
lichkeit aber die Alleinherrschaft eine<3 einzigen Mannes Glänzend und hinreißend
war seine Beredsamkeit. Als die athenische Floate unter Perikles (440) die vom Bunde
abgefallene Insel Samos wieder unrerworfen hatte, hielt Perikles die Leichenrede
auf die gefallenen Bürger; bei diesem Anlasse sprach er so herrlich, daß ihn am
Schlüsse die anwesenden Frauen, wie einen olympischen Sieger, mit Blumen
und Kränzen schmückten. Aber Perikles redete weder viel noch oft; er bat, so
oft er vor das Volk trat, Zeus, er möge ihn vor unnützen Worten bewahren. Er
schmeichelte dem Volk nicht, und scheute sich nicht, es, wenn es nöthig war, strenge
zu tadeln. In seinem Privatleben war er einfach, mäßig und strenge. Sein
ganzes Leben war dem Staatsdienste gewidmet. Gegen alle Angriffe bewahrte
er eine unerschütterliche Ruhe. Schmähungen gegen seine Person nahm er gleich-
giltig auf. Einst wurde er nach einer Volksversammlung von einem Bürger,
dem seine Rebe mißfallen hatte, mit Scheltworten und Drohungen bis an sein
Haus verfolgt. Ohne ein Wort zu erwidern, befahl Perikles, da es bereits dunkelte,
dem Menschen mit der Fackel nach Hanse zu leuchten, damit er sich nicht verletze
Weniger gleichgültig nahm er Angriffe gegen seine Freundin, die durch ihre Schön¬
heit und feine Bildung berühmte Aspasra von Milet auf.
Unter Perikles ward Athen auf den Gipfel seiner Macht und seiner Blüthe
geführt. Die Land- und die Seemacht waren bedeutend. Das Finanzwesen wurde
Blüth« durch seine Leitung geordnet; die Einkünfte des Staates stiegen mit dem allge-
Athen;, meinen Wohlstand; Handel und Gewerbe nahmen einen großen Aufschwung. Vor¬
züglich beförderte Perikles auch das immer mehr in Athen sich entfaltende geistige
Leben, durch welches es alle andere Städte Griechenlands übertraf; die Wissen¬
schaften, Philosophie, Mathematik, Astronomie, Redekunst und Geschichte standen
in höchster Blüthe; der attische Dialekt wurde der herrschende für die schriftstellerische
Thätigkeit. In der Dichtkunst uttb den bildenden Künsten trat Athen an die
Theater, Spitze der Griechen. Vorzüglich blühte das Theater. Auf Perikles' Veranlassung
ward es auch den ärmeren Bürgern durch das ihnen vom Staate bewilligte Schau¬
geld möglich gemacht, das Theater zu besuchen. Die hervorragendste-! Trauerspiel¬
dichter waren Äschylus, Sophokles und Eurlpides (s. § 20), der bedeutendste
Comödiendichter AristophaneS, dessen gewaltiger Spott selbst die Angesehensten im
Volke, wie Perikles und Sokrates, nicht verschonte.
vnschSne-t Groß war die Blüthe der bildenden Künste zu den Zeiten des Perikles, der
Athen durch sie auf alle Weise förderte und auch in dieser Hinsicht Athen an die Spitze Grie-
bautmf chenlands stellte; kein Zeitalter hat neben so vortrefflichen Dichtern gleich vorzügliche
Baumeister, Maler und Bildhauer hervorgebracht als das {einige. Die jährlichen
Beitrage der Bundesgenossen zur gemeinschaftlichen Kriegskasse (400 von Delos nach
Athen verlegt) boten die Mittel zur Verschönerung der Stadt und zu den großartig-
sten Bauten, wie zur Erhaltung der Land- und Seemacht. Bei diesen großen Wer¬
ken stand Perikles sein Freund, der ausgezeichnete, die Kunstseiner Zeit beherrschende
Phidias. große Bildhauer Phidias zur Seite. Ihr ursprünglicher Plan war eine Ver¬
sammlung aller Griechen nach Athen zu berufen, um sich über die Wiederherstellung
der zerstörten Heiligthümer, ein allgemeines Nationalfest und einen allgemeinen Frie¬
den zu bereden. Zwanzig Männer, in vier Gruppen vertheilt, wurden als
Gesandte ausgeschickt; aber sie kamen mit ausweichenden oder abschlägigen Antwor¬
ten zurück (um 445). So wurde alles aus Attika vemenbet. Die Hauptbauwerke