Metadata: Thüringer Sagen und Nibelungensage (Teil 1)

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Wird sie noch an etwas anderes denken als an ihren Schmerz? Sie 
wird sofort sehen (woran? Wunde im Rücken, nnzerhauener Schild), 
daß Siegfried ermordet sein muß, wird sich besinnen, wer der Mörder 
gewesen sein mag, wird dabei sofort (warum? Kreuz auf dem Rock) 
an Hagen denken und wohl auch überlegen, wie der Mörder bestraft 
werden könnte. Da sie aber von dem Herrn Hagens, ihrem Bruder 
Günther, ohne dessen Willen der Mord schwerlich geschehen sein kann, 
kein gerechtes Gericht erwarten darf, so wird sie vielleicht an eigene 
Rache denken, die freilich nicht gut möglich ist (warum?). 
Wer wird noch um Siegfried klagen? Natürlich sein Vater Sieg- 
mund (warum?), der in Siegfried seinen einzigen, vielgeliebten Sohn 
verloren, den Trost und die Stütze seines Alters und seines Volkes. 
Mit ihm werden auch die Mannen Siegfrieds um ihren geliebten 
und verehrten Herrn und Führer klagen. Ob sie sich wohl mit der 
bloßen Klage begnügen werden? Gewiß nicht, sie werden auch an 
Rache denken, freilich wissen sie nicht, wen sie zur Strafe ziehen sollen. 
Und wenn sie es wüßten? So würde doch die Bestrafung Hagens ihnen 
kaum möglich sein, da der König mit seinen vielen lausenden noch 
zum Kriegszug versammelten Burgunden den Hagen schützen wird. 
Wer wird noch um Siegfried klagen? Ute (warum?), Gifelher 
(warum?) und vielleicht auch Gernot. Ob auch Günther klagen wird? 
Heuchlerisch genug ist er dazu, wie wir schon wissen (Klage am Brunnen)- 
er wird es auch gerne thun, um dadurch den Verdacht und die Schuld 
von sich abzuwälzen. Und Hagen? Der wird es auf keinen Fall thun 
(warum? Siehe die vorige Geschichte); er ist sogar frech genug, öffent¬ 
lich zu erklären, daß er die That gethan und warum er sie gethan 
hat? — Zusammenfassung. 
II a. Disposition. Kriemhild findet den toten Siegfried vor 
ihrer Thüre. 2. Kriemhild hält Siegmund und seine Mannen von der 
Rache ab. 3. Kriemhild erkennt Hagen als den Mörder Siegfrieds. 4. 
Kriemhild ist untröstlich. 
Zur Erläuternng. 
1. Weitere Ausmalung des ergreifenden Bildes vom Kirchgänge 
Kriemhildens (Dumpfes Glockengeläute, dunkle Finsternis, Fackelbeleuchtung, 
Schreckensruf des Kämmerers, gellender Schrei Kriembildens). Warum 
schrie nun Kriemhild so laut aus und fiel gleich in Ohnmacht? Sie 
ahnte gleich, ja glaubte ganz bestimmt, daß der erschlagene Ritter ihr 
Siegfried sei. (Warum?) Zu diesem Glauben kam sie durch die bösen 
Träume der vorigen Nacht, durch die sorgenvolle letzte Nacht, durch ihre 
geheime Reue über das Kreuzeszeichen, durch ihre dunkle Angst vor dem 
wilden Dienstmann ihrer Feindin Brunhild. Mit diesem Glauben aber 
ergriff sie ein so furchtbarer Schreck und ein so schneidender Schmerz, 
daß sie besinnungslos niederfiel. Auch der Trost der Dienerinnen 
konnte die Erwachte nicht beruhigen, vielmehr blieb sie bei ihrem Glauben 
und sagte sogar noch ganz bestimmt, daß der tückische Hagen der
	        
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