Full text: Die Geschichte des Mittelalters (Bd. 2)

33. Aufhebung des Herzogthums Baiern. 143 
unter Pippin, der nach seiner Ansicht schmachvollen und unerträglichen Ver¬ 
pflichtung sich wieder zu entziehen, obgleich der Papst ihn und sein Volk für 
diesen Fall mit dem Banne bedrohte. Als nun Karl im I. 787 von drei 
Seiten seine Heere gegen Baiern anrücken ließ, auch im Lande selbst sich 
Stimmen für das von der Kirche anerkannte Recht des Königs erhoben und 
der gänzliche Verlust der väterlichen Herrschaft bevorstand, suchte Tassilo noch 
einmal sein Heil in völliger Unterwerfung: er stellte sich vor dem König, 
gab neue Geiseln, unter diesen den eigenen Sohn (Theodo), erneuerte die 
Huldigung und übergab förmlich dem König sein Herzogthum, um es als 
Lehen aus seiner Hand zurück zu erhalten. Doch schon im nächsten Jahre 
(788) trat er, wie es-heißt, aus Betreiben seiner Gemahlin (Liutperga) in 
Verbindung mit den Avaren und reizte sie zum Kriege gegen Karl, machte 
auch gar kein Hehl aus seinem Entschlüsse, seinen übernommenen Verpflichtungen 
nicht nachzukommen. Daher ward die diesjährige Reichsversammlung (zu 
Ingelheim) dazu ausersehen, Tassilo's Sturz zu vollenden. Hier wurde er 
festgenommen, seiner Waffen beraubt und von Angehörigen seines eigenen 
Volkes angeklagt, er habe an Abfall gedacht und Verbindungen mit den 
Avaren zum gemeinsamen Kampfe gegen die Franken angeknüpft. Es scheint 
jedoch, daß es weniger verbrecherische Thatsachen als unzufriedene Aeußerungen 
und verdächtige Reden waren, welche jetzt vorlagen. Denn um ihn zu ver- 
urtheilen, griff die Versammlung der Großen auf den Treubuch gegen Pippin 
zurück, auf das Verlassen des Heeres in Aquitanien vor 25 Jahren (763), 
und wegen dieser alten Schuld des „Herisliz", über welche man Jahrzehnte 
lang hinweggesehen hatte, ward das Todesurtheil über ihn ausgesprochen. 
Doch scheute sich Karl, mit dem Blute seines nahen Verwandten sich zu be¬ 
flecken, er schickte ihn vielmehr sammt seinen beiden Söhnen (Theodo und 
Dietbert) ins Kloster (in S. Goar ward an Tassilo die Tonsur vollzogen, 
später lebte er in Lorsch). Auch die Gemahlin und die Töchter Tassilo's 
mußten den Schleier nehmen. So endete das alte Fürstengeschlecht der 
Agilolfinger, nachdem es fast drittehalb Jahrhunderte das Volk der Bajoaren 
in einem zwitterhaften Zustande von Abhängigkeit vom fränkischen Reiche be¬ 
herrscht hatte. Karl betrat jetzt zum ersten Male selbst Baiern, nahm das¬ 
selbe in seine unmittelbare Gewalt und ordnete die Verhältnisse des Landes, 
indem er Grafen einsetzte, die nur von ihm abhängig waren. 
34. Unterwerfung der Ävaren. 
(Nach Ferd. Hein r. Müller, Die deutschen Stämme unb ihre Fürsten.) 
Der Besitz Baierns führte auch zu Kriegen mit den östlichen Nachbarn, 
den Avaren, die, von Tassilo zu Hülfe gerufen, einen feindlichen Einfall
	        
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