35. Karl's des Großen Kaiserkrönung.
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Jnl I. 796 erfolgte ein neuer großer Angriff durch die vereinten
Schaaren der Longobarden und der Baiern nebst Franken und Alemannen.
Diese überschritten die Donau und erstürmten zwischen der Donau und der
Theiß das große, durch ausgedehnte Verhaue befestigte Feldlager des Chagan,
wegen seiner Gestalt von den Franken „der Ring" genannt, wo der Raub
von 200jährigen Plünderungszügen aus dem byzantinischen Reiche und aus
dem Abendlande aufgehäuft lag. Noch an 2 Jahre dauerte inzwischen der
Kampf fort und endigte erst im Jahre 799 mit der gänzlichen Vernichtung
des alten Räubervolkes, welches über zwei Jahrhunderte die Plage der
abendländischen und morgenländischen Völkerwelt gewesen war. Die Avaren
verschwinden fortan aus der Geschichte, und dort, wo sie einst gehaus't, an
der Donau und Theiß, erscheint seitdem eine öde, menschenleere Wüste.
Somit war noch am Schlüsse des 8. Jahrhunderts das Pfortenland an der
mittlern Donau für die fränkische Herrschaft gewonnen und dieselbe gegen
alle Gefahren vor den in dem Donau-Thal aufwärts stets vordringenden
barbarischen Völkern aus dem Osten gesichert.
35. Karl's des Großen Laifcrluönung.
(Nach George Philipps, Deutsche Geschichte mit besonderer Rücksicht auf Religion,
Recht und Staatsvcrsassung, und Georg Waitz, Deutsche Verfassungsgeschichte, '
bearbeitet vom Herausgeber.)
So glänzend die Siege König Karl's waren und so solgereich dieselben
für die gesammte spätere Geschichte geworden sind, so kommt doch in der
ganzen Regierungszeit des großen Königs kein Tag dem des Weihnachtsfestes
des Jahres 800 (nach damaliger Rechnung am Anfange eines neuen Jahres
und eines neuen Jahrhunderts) an Wichtigkeit und Bedeutung gleich. An diesem
Tage ward Karl, der König der Franken und der Longobarden, zum rö¬
mischen Kaiser gekrönt; ein Ereigniß, auf welchem fortan die Geschichte des
abendländischen Europa's beruht.
Papst Leo III. war es, durch dessen Hand das römische Kaiserthum'im
Westen wieder hergestellt ward, als Karl auf seinem fünften Zuge nach
Italien (800) nach Rom gekommen war. Die Veranlassung zu diesem Zuge
gab ein Streit, in welchen der Papst mit einer Partei in Rom gerathen
war, die ihn der gröbsten Verbrechen zieh. Da seit geraumer Zeit die Herr¬
schaft des griechischen Kaisers über Rom völlig aufgehört hatte, so mochte
jene Partei von einer Wiederkehr der Zeiten der Republik träumen. Daher
begab sich der Papst in das fränkische Reich, um sich an den Schirmvogt
der Kirche zu wenden. Karl, damals gerade auf einem Heereszuge gegen die
Sachsen begriffen, empfing den Papst auf seinem Reichstage zu Paderborn
Pütz, Histor. Darstell, und Charakteristiken. II. 2. Aufl. 10