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99. Reiters Morgengesang
Phantasien und Skizzen.
1. Morgenrot,
leuchtest mir zum frühen Tod?
Bald wird die Trompete blasen,
dann muß ich mein Leben lassen,
ich und mancher Kamerad.
2. Kaum gedacht,
war der Lust ein End’ gemacht.
Gestern noch auf stolzen Rossen,
heute durch die Brust geschossen,
morgen in das kühle Grab!
> Von Wilhelm Haust.
Stuttgart 1828. S. 80.
3. Ach, wie bald
schwindet Schönheit und Gestalt!
Tust du stolz mit deinen Wangen,
die mit Milch und Purpur prangen?
Ach! die Rosen welken all'!
4. Darum still
füg’ ich mich, wie Gott es will.
Nun, so will ich wacker streiten,
und sollt' ich den Tod erleiden,
stirbt ein braver Reitersmann.
100. Der Cindenbaum. Von «Mbelm Müller.
Gedichte. Herausg. von Max Müller. 1. Teil. Leipzig 1868. 8. 48.
1. Am Brunnen vor dem Tore,
da steht ein Lindenbaum.
Ich träumt' in feinem Schatten
so manchen süßen Traum.
2. Ich schnitt in seine Rinde
so manches liebe Wort;
es zog in Freud' und Leide
zu ihm mich immer fort.
3. Ich mußt' auch heute wandern
vorbei in tiefer Nacht,
da hab' ich noch im Dunkeln
die Augen zugemacht.
4. Und seine Zweige rauschten,
als riefen sie mir zu:
Komm her zu mir, Geselle,
hier findst du deine Ruh'!
5. Die kalten Winde bliesen
mir grad ins Angesicht,
der Hut flog mir vom Kopfe,
ich wendete mich nicht.
6. Nun bin ich manche Stunde
entfernt von jenem Ort,
und immer hör' ich's rauschen:
Du fändest Ruhe dort!
101. Zu Straßbur<* auf der Scbanz.
Erks Deutscher Liederhort. Herausg. von Franz M. Böhme. 3. Band.
Leipzig 1894. S. 261.
1. Zu Straßburg auf der Schanz,
da ging mein Trauern an;
das Alphorn hört' ich drüben wohl anstimmen,
ins Vaterland mußt' ich hinüberschwimmen;
das ging nicht an!
2. Ein' Stunde in der Nacht
sie haben mich gebracht;
sie führten mich gleich vor des Hauptmanns Haus,
ach Gott, sie fischten mich im Strome auf, —
mit mir ist's aus!