fullscreen: Ergänzungsband für Mittelschulen (Teil 4, [Schülerbd.])

ν νννννν Clara Viebig αανναννLννÒLÚ3nccÜTAIIANJTS: 547 
fernher hörten wir durch die stille Nacht das Brüllen von unge— 
heuren verdurstenden Viehherden und fernes, schweres Getöse wie 
vom Ziehen eines ganzen Volkes. Ostwärts stand ein riesiger Feuer— 
schein. Ich lag, so lang ich war, das Gewehr bereit, und ermunterte 
meine todmüden Kameraden, daß sie wachten. 
So kam allmählich der Morgen. Da stießen einige Patrouillen 
vorsichtig vor. Und da erfuhren wir zu unserer großen Verwunde⸗ 
rung, daß der Feind abgezogen war, und zwar in wilder Flucht. Wir 
wären ihm gern gleich gefolgt; aber wir hatten noch keine Vachricht 
von den anderen Abteilungen. Auch waren Mensch und Tier am 
Ende ihrer Kraft. So ruhten wir denn diesen Tag, aßen ein wenig 
dürftiges Essen und reinigten und besserten an unserm Zeug und 
unseren Gewehren; denn wir sahen aus wie Leute, die sich in einem 
Anfall von Tobsucht zerschlagen, zerschunden und beschmutzt hatten. 
Die Raserei stand uns noch auf der gefurchten Stirn und stand noch 
schrecklich in unseren Augen. Unsere Toten lagen im Schatten eines 
Baumes mitten unter uns. 
Wir hatten viel Arbeit mit den Tieren, daß sie uns nicht um— 
kamen. Wir konnten sie lange nicht satt tränken, und Weide konnten 
wir ihnen gar nicht geben; denn die ganze Gegend war vom Vieh 
der Feinde so kahl gefressen, als wenn Ratten und Mäuse alles rein 
abgenagt hätten. Noch in die Erde hinein hatten Menschen und 
Vieh nach Wurzeln gewühlt und gesucht. Es war ein trübseliger 
Tag. Die Sonne glühte. Ein Gestank von altem Dünger erfüllte 
stickig das ganze Land. 
Am Nachmittag kam endlich Botschaft von den anderen Ab— 
teilungen. Zwei meldeten, daß sie den Feind geschlagen hätten, die 
dritte, daß sie sich mit Mühe und Not seiner erwehrt. Der Feind 
war mit seiner ganzen ungeheuren Masse, mit Weibern, Kindern und 
Herden ostwärts entflohen. 
Gegen Abend begruben wir unsere Toten unter dem Baum. 
Geb. 17. Juli 1860 
in Trier. 
Clara Viebig. 
Lebt in Zehlendorf 
bei Berlin. 
Im Kriegslazarett. 
Aus dem Roman: Die Wacht am Rhein. 
Wo der Peter begraben lag, das konnte der Mutter niemand 
sagen. Und wenn sie hingeeilt wäre und hätte mit ihren Nägeln 
die blutgedüngte Scholle des großen Totenackers aufgerissen, sie 
hätte ihn nicht gefunden. 
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