592 Vierter Zeitraum des Mittelalters: 1273—1492.
Das Höchste, was in den Tagen Lorenzo's in der Malerei geleistet worden
ist, ging von Domenico Ghirlandajo (f 1494) aus, der in seinen figurenreichen
Fresken mit zahlreichen Bildnissen aus seiner Zeit gewissermaßen eine monumen¬
tale Verherrlichung der späteren Jahre Lorenzo's de' Medici hinterlasse:! hat.
Auch die Miniatur-Malerei, sowohl in großen Kirchenbüchern als in Gebetbüchern
für den häuslichen Gebrauch und in Werken der Profan-Literatur, näherte sich
rasch der Periode ihrer höchsten Entwickelung und dehnte den Kreis ihrer
Darstellungen von den Engel- und Heiligengestalten aus zu den Scenen
der classischen Dichter und der Göttlichen Comödie. Besonders der Domini-
caner-Oiden hat sich in diesem Kunstzweige hervorgethan. Endlich hat sich
Lorenzo noch für die Wiederbelebung der Mosaicirkunst vorzugsweise interessirt,
wie die Herstellung der Musive des Baptisteriums und die musivische Aus¬
schmückung der Chor-Capelle des Doms bekunden.
So vielseitig und fruchtbar war die Thätigkeit, die sich um Lorenzo de'
Medici und großentheils unter seiner Anregung und Betheiligung entwickelte.
Aber, wie sein Großvater, hat auch er sich nicht damit begnügt, reife Talente
zu verwenden, Früchte zu pflücken. Er hat nicht minder für die Zukunft
gesäet und mehr als irgend Einer die glänzendste Epoche der Kunst herbei¬
geführt. Die Sammlung von Kunstwerken aller Art, antiken und modernen,
die er in seinem Garten von San Marco und dem anstoßenden „Casino"
angelegt, ist eine Pflanzschule erlesenster Geister geworden. In einer Zeit,
wo die Mittel zum Studium noch beschränkt, namentlich antike Sculpturen
noch verhältnißmäßig selten waren, wo jüngere Talente jahrelang in einer
Abhängigkeit blieben, welche ihre Eigenthümlichkeit nicht zum Durchbruch
kommen ließ, war eine Vergünstigung, wie sie hier der Jugend geboten
ward, so ungewöhnlich wie unschätzbar. Dazu unterstützte er Solche, deren
Mittel nicht ausreichten, sich den Kunststudien zu widmen und belebte durch
Belohnungen edlen Wetteifer. Derjenige, welcher den Mediceifchen Garten
weltberühmt gemacht hat, ist Michel Angelo Buonarotti, der, kaum 15 I.
alt, aus Ghirlandajo's Schule in diese für ihn neue Welt trat und bald
durch Bildhauer-Arbeiten das wunderbare Talent bewährte, welches der teil¬
nehmende Lehrer ahnte, als er ihn Lorenzo empfahl.
Nie hat es eine Familie gegeben, welche durch kluge Benutzung ihres
Reichthums und durch hohe staatsmännische Begabung eine so eigenthüm¬
liche, zwar fürstengleiche, aber doch den Formen des Freistaates sich an¬
passende Stellung eingenommen hätte, in welcher die Lust.am Sammeln
und die Freude am Besitz so lebendig, das Verständniß des Werthes und
der Bedeutung der verschiedenartigsten Dinge so wahr und so thätig Jahr¬
hunderte hindurch geblieben wäre, wie bei diesen slorentinischen Kaufleuten,
aus denen ein mit Habsburgern, Lothringern, Bourbonen, Wittelsbachern
verschwägertes Fürstengeschlecht erwachsen ist.