Full text: Die Geschichte des Mittelalters (Bd. 2)

74 Erster Zeitraum des Mittelalters: 476—751. A. Das Abendland. 
nach Constantinopel zurück (549). Alsbald gelangte Totilas, abermals durch 
Verrath der Jsaurier, wieder in den Besitz von Rom und behandelte die 
Stadt mit weiser Schonung. Reichlich ließ er Lebensmittel austheilen, rief 
die entflohenen Bürger der Stadt zurück und feierte glänzende Spiele int 
(Strcus — ein Haupt-Attribut legitimer Herrschaft über Rom und ein Haupt¬ 
mittel, die Gunst der Römer zu gewinnen. Gleichzeitig forderte er den 
Kaiser auf, den Gothen Frieden zu gewähren gegen das Versprechen der 
Waffenhülfe in allen seinen Kriegen; doch die Partei der zahlreichen ver¬ 
triebenen oder flüchtigen Italiener am Hofe zu Byzanz (besonders aus dem 
Clerus und dem Adel) hintertrieb die Versöhnung und bewog den Kaiser, 
einen neuen Feldzug zu wagen. Dieser sandte im Jahre 552 den Narses 
mit einem großen Heere, freilich meistens barbarische Soldaten, und mit aus¬ 
gedehnten Vollmachten nach Italien, wo Totilas die Gothenherrschaft völlig 
wieder hergestellt hatte. Narses war ein kleiner, schwächlicher Mann; aber 
sein Ehrfurcht gebietender Blick verrieth den würdigen Nebenbuhler Belifar's 
in der Feldherrnkunst. Er zwang den Totilas in den Apenninen bei Ta¬ 
gt nä zu einer Schlacht, und obwohl die Gothen mit der größten Tapferkeit 
fochten, so gewann er doch einen vollständigen Sieg. Totilas fand den 
Heldentod, und 6000 Gothen bedeckten mit ihm das Schlachtfeld. Zwar 
erwählten die Gothen, die sich aus dieser Schlacht gerettet hatten, ihrem 
gefallenen König einen eben so würdigen Nachfolger, den Tejas; aber 
auch dieser vermochte nicht, sich gegen Narses' Uebermacht lange zu behaupten, 
der auch Rom wieder gewann. Tejas vermied jede Schlacht, indem er von 
den Franken Hülfe erwartete; aber Narses wußte den Anführer seiner Flotte 
zum Abfall zu bewegen und dadurch geriethen die Gothen in solche Noth, daß 
sie es vorzogen, lieber den Heldentod zu suchen, als Hungers zu sterben. So 
kam es denn zur Schlacht am Lactarischen Berge in Campanien. Tejas 
kämpfte Allen muthig voran; endlich aber wurde er von einem feindlichen 
Geschosse tödtlich in die Brust getroffen, als er eben seinen Schild wechseln 
wollte, in welchem 12 Wurfspieße hingen. Doch auch als er gefallen war, 
kämpften die Gothen fort; ja der Anblick seines abgeschnittenen Kopfes, den 
die Griechen auf einer Stange trugen, erfüllte sie nur mit neuem Muthe. 
Mann an Mann kämpften sie bis zum Abend, und auch am folgenden 
Tage erneuerten sie die mörderische Schlacht. Erst am dritten Tage ließen sie 
Narses sagen, sie sähen, daß sie gegen den Rathschluß Gottes kämpften, aber 
doch wollten sie lieber sterben, als sich dem Kaiser ergeben, und da ihnen 
Narses nun, ihre Tapferkeit bewundernd, freien Abzug und den Besitz ihrer 
in den Städten Italiens verwahrten Habe bewilligte, legten sie endlich die 
Waffen nieder. 
Auch damit waren noch nicht alle Zuckungen des widerstrebenden Volkes 
zu Ende. Die Gothen im Norden von Italien wollten die festen Plätze, 
die sie noch inne hatten, nicht räumen und erhielten Hülfe von zwei aleman-
	        
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