Full text: Die Geschichte der neuern Zeit (Bd. 3)

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Einleitung. 
gebenheiten, welche den Anfang einer neuern Zeit begründen, als die ersten 
und folgenreichsten oben an die Entdeckung Amerika's und die Auf¬ 
findung des Seeweges nach Ostindien. 
Die Entdeckung ^Lr-^fSuen Welt hat nicht bloß den Schleier ge¬ 
hoben, d^r seit Jahrhunderten einen bedeutenden Theil der Erdoberfläche den 
Bewohnern des andern Theiles verhüllt hatte, nicht nur dem Handel und der 
Industrie ein unermeßliches neues Feld eröffnet, die Masse der Metalle 
vermehrt, den Werth der Dinge erhöht, den Luxus und die Sitten verfeinert, 
sondern auch den wissenschaftlichen Forschungen ein neues, unendliches Gebiet 
aufgeschloffen, indem diese Entdeckung den Bewohnern der alten Welt die 
Werke der Schöpfung verdoppelte. Der Scharfsinn des Menschen wuchs mit 
der Erweiterung des Feldes, das seinen Untersuchungen dargeboten wurde. 
Die nautische Astronomie, die physische Geographie im weitesten Sinne, die 
Geologie der Vulcane, die beschreibende Naturgeschichte haben seitdem ihre 
Gestalt durchaus verändert. Ein neues Festland bot den Seefahrern eine 
Küsten-Ausdehnung von 120 Breitengraden dar, den Naturforschern neue 
Pflanzen- und Thier-Familien, dem Ethnologen eine gemeinsame Menschen- 
race, die durch den langen Einfluß der Nahrungsmittel, des Klimas und 
der Sitten die verschiedensten Modifikationen erlitten hatte und in eine fast 
unendliche Anzahl von Sprachen gespalten war, deren wunderlicher Bau doch 
den gemeinsamen Grundtypus nicht verkennen ließ, dem Geologen die um¬ 
fangreichste Gebirgskette, die, durch unterirdische Feuer emporgehoben, reich an 
edlen Metallen, an ihrem jähen Abhange und auf ihren terrassenförmigen 
Hochebenen, in einem verhältnißmäßig unbedeutenden Raume, die Klimate 
und Erzeugnisse der entferntesten Zonen neben einander vereinigt. Niemals 
hat eine rein die Körperwelt betreffende Entdeckung durch Erweiterung des 
Gesichtskreises eine außerordentlichere und dauerndere Veränderung in geisti¬ 
ger Beziehung hervorzurufen vermocht, nie hatte der Mensch das Bedürfniß 
lebendiger gefühlt, die Natur zu beobachten und die Mittel zu vervielfältigen, 
durch welche sie mit Erfolg zu befragen ist. *) 
In Verbindung mit der gleichzeitigen Auffindung des toirecten 
Seeweges nach Ostindien hatte die neue Entdeckung die wichtigsten 
Folgen für den Welthandel, der aus Land- in Seehandel umgewandelt 
wurde. Die alten Handelswege wurden verlassen und neue eröffnet, dadurch 
aber der Rang der europäischen Staaten völlig verändert. Die Länder am 
Mittelmeere sanken in gleichem Grade, wie die am Atlantischen Ocean stiegen. 
Venedig insbesondere sah den ostindischen Handel, den es bisher fast allein 
getrieben hatte, in die Hände der Portugiesen und Holländer übergehen und 
mußte sich allmählich auf den Küstenhandel des Adriatischen Meeres beschränken. 
*) Nach Alex. von Humboldt, Kritische Untersuchungen über die historische Ent¬ 
wickelung der geographischen Kenntnisse von der neuen Welt.
	        
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