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Zweiter Zeitraum: 1648—1789.
auf eine durchgreifende Umgestaltung seines Staates hingearbeitet,
wovon fast Tag für Tag die von ihm gegebenen Gesetze Zeugniß ablegen.
Freilich auf ein Volk, dessen Wille nicht durch die Vernunft, sondern durch
die rohesten Triebe der Sinnlichkeit sich bestimmen ließ, dem es an Einsicht
fehlte, um aus Ueberzeugung das Bessere zu wollen, konnte Peter nur durch
den Arm der weltlichen Macht einwirken, indem er den auf sklavischer Furcht
beruhenden Gehorsam als den Hebel benutzte, um es aus seinem verdumpsten
Zustande herauszureißen. Mit unnachsichtiger Strenge mußte er ihm seine
alten Sitten oder Unsitten erst abstreifen, um durch neue Formen wenigstens
die Möglichkeit anzubahnen, daß dereinst auch in diesem Volke ein freierer,
dem westlichen Europa verwandter Geist erstehen könnte. Daß Peter an
dieser Aufgabe seines Lebens festhielt, besonders nachdem sein Gesichtskreis
sich in der Ferne mächtig erweitert hatte, darin lag seine Größe; die Ein¬
seitigkeit, mit der er verfuhr, war durch die gegebenen Verhältnisse bedingt
und geboten.
Die erste durchgreifende Reform, die der Zar Peter unternahm, betraf
die russische Kirche und wurde veranlaßt durch eine Gunst der Umstande,
die sofort benutzt sein wollte. Im Jahre 1700 starb der Patriarch Adrian,
der zehnte in der Reihe der russischen Patriarchen seit Philaret (s. S. 366).
Statt eines neuen Patriarchen, der den Thron des Zaren theilte, ernannte
Peter einen Verweser (Eparchen) des Patriarchats, jedoch mit der Einschrän¬
kung, daß er in allen wichtigen Angelegenheiten mit anderen Bischöfen, die
sich zu dem Ende abwechselnd in Moskau aufhielten und von Zeit zu Zeit
von andern abgelöst wurden, Rath pflege und sodann die gefaßten Beschlüsse
an den Zar zur Genehmigung gelangen lasse. Später (1721) ward die
Patriarchen-Würde in aller Form aufgehoben und der gefammten Geistlich¬
keit ein vom Zaren ernannter, völlig von ihm abhängiger „hochheiliger
Synod" vorgesetzt, der im Geistlichen sein sollte, was der „dirigirende
Senat" im Weltlichen war, dem Peter, als er nach dem Pruth aufbrach,
die obere Leitung der Regierungsgeschäfte für die Zeit seiner Abwesenheit
übertrug. Vom Synod gingen alle zur Aufrechthaltung des griechischen
Glaubens erlassenen Anordnungen aus, er hatte den Religionsunterricht zu
leiten, die christlichen Lehren zu prüfen und auch die Verwaltung der geist¬
lichen Güter zu führen.
Die Hauptvorrechte des Adels bestanden in dem Rechte, Erbgüter und
Bauern zu besitzen und in der Befreiung von der Kopfsteuer, die Haupt¬
verbindlichkeit war, im Militär oder Civil dem Staate zu dienen. Erfüllt
von der großartigen Stellung der englischen Aristokratie, hoffte Peter durch
Einführung ähnlicher Einrichtungen auch seinem Adel ähnliche Gesinnungen
einflößen zu können. Darum befahl er 1714, daß hinfort auch für den rus¬
sischen Adel das Erbrecht nach der Erstgeburt gelten solle. Den jüngeren
Söhnen der adeligen Familien wünschte dagegen der Zar, ebenfalls nach