Full text: Die Geschichte der neuern Zeit (Bd. 3)

79. Die erste Theilung Polens. 
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Provinz eine polnische nehmen solle, dafür aber auch Oesterreich dort 
zugreifen lasse. Und mit dem Zugreifen begann Joseph seine diplomatische 
Action. Er ließ von Ungarn her österreichische Truppen in Polen einrücken 
und die Zipser Gespannschaft (20 lH-Meilen) auf Grund von Rechtsansprüchen 
aus dem I. 1412 (Verpfändung der Zipser Städte an Polen durch Kaiser 
Sigmund) besetzen. Als Katharina ü. dieses erfuhr, glaubte sie, es sei die 
erste Folge eines Einverständnisses zwischen Preußen und Oesterreich, deren 
beide Herrscher kurz vorher zu Neustadt in Mähren zusammengekommen 
waren (Sept. 1770), und sie fürchtete, es könnte demnächst der offene Hebertritt 
Preußens aus dem russischen ins österreichische Bündniß zu erwarten sein. Um 
nun Friedrich II. zu zeigen, daß die russische Freundschaft ihm vorteilhafter 
werden könnte als die österreichische, bot sie ihm (durch den in Petersburg 
damals anwesenden Prinzen Heinrich) die Erwerbung von Westpreußen an. 
„Daß Polen", meinte der König, „die Kosten der Ausgleichung bezahlt, ist 
durchaus billig, da die Türken den Krieg nur aus Anrufen und im Interesse 
der Polen begonnen haben/ Er wußte auch die Forderungen Katharinas 
an die Türkei so weit herabzustimmen, daß der Bruch mit Oesterreich ver¬ 
mieden wurde. Oesterreich war mit der russischen Verzichtleistung auf die 
Donaufürstenthümer befriedigt. Rußland und Preußen einigten sich rasch 
durch einen Vertrag vom 17. Febr. 1772, welcher dem Könige Westpreußen, 
der Kaiserin Katharina das polnische Land östlich vom Dniepr und der 
Düna zuwies. Maria Theresia entschloß sich zuletzt, bei allem Widerwillen 
gegen eine Zerstückelung Polens, zur Annahme des weiten und wohlgelegenen 
Galizien. Was ihr die Theilung Polens so unheilvoll erscheinen ließ, war 
wohl weniger die Bereicherung mit fremdem Gute (denn sie verlangte so viele 
polnische Unterthanen, als Preußen und Rußland zusammen erhielten), son¬ 
dern die Vergrößerung der beiden mißliebigen Nebenbuhler, des lutherischen 
Preußen und des schismatischen Rußland, auf Kosten des höchst rechtgläubi¬ 
gen Polen. Nachdem der Theilungsvertrag im August 1772 von den drei 
Mächten unterzeichnet worden, rückten neben den Russen auch österreichische 
und preußische Truppen in Polen ein, und die Schaaren der Consöderirten 
stoben ohne jeden Widerstand auseinander. 
Nach Herstellung der äußern Ruhe wurde ein Reichstag berufen, um 
sowohl durch förmlichen Vertrag die Abtretung der Provinzen an die drei 
Mächte zu vollziehen, als auch die feit dem Aufstande der Barer Eon- 
föderation unsicher gewordenen Verfassungsfragen zu regeln, nicht minder 
aber die Zahlungen und Pensionen zu reguliren, welche die einzelnen 
Senatoren und Landboten für ihr zustimmendes Votum von den Mächten 
erhalten sollten! Der Abtrennungs-Vertrag wurde hier einstimmig vollzogen. 
In der Verfassungsfrage blieb es bei dem liberum veto, der Adelsanarchie 
und der Schwäche des Königthums; nur in Sachen der Dissidenten ward 
dem katholischen Eifer das Zugeständniß gemacht, daß jene zwar ihre
	        
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