Full text: Die Geschichte der neuern Zeit (Bd. 3)

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Dritter Zeitraum: 1789—1815. 
fest und schleppte 5 Jahre lang von einer Festung zur andern (zuletzt nach 
Olmütz) den Mann, der bei aller Unreife seiner politischen Schöpfungen 
dennoch dem Verständnisse der Zeit näher stand, als seine Kerkermeister. 
Erst im Frieden von Campo Formio ward er durch Bonaparte befreit. So 
saß nun der König gefangen, und der Feldherr, welcher gern sein Leben 
geopfert hätte, um ihn zu befreien, ebenfalls. 
Nicht an die National-Verfammlung und den Vollziehungsrath der 
Minister ihrer Wahl, nein an den revolutionären Gemeinderath von 
Paris, der sich in jener Nacht unter dem Geheul der Sturmglocken selbst 
eingesetzt hatte, ging durch den Sturz des Königs die Regierung über, und es 
begann sofort die Organisation der Schreckensherrschaft mit der Einsetzung 
von Revolutions-Tribunalen zur Verfolgung der „Verdächtigend Die den 
Jacobinerclub leiteten, waren gerade auch dieselben, welche im Gemeinderathe 
den Ausschlag gaben, vor Allen Danton, dem die Massen gehorchten, weil 
sie ihn fürchteten, und Robespierre. Als die Wahlen zum National-Convent 
(ohne jeden Census) bevorstanden, entwarf diese Faction den Plan, eine 
möglichst große Anzahl ihrer politischen Gegner in ganz Frankreich durch 
Gefängniß und Ermordung von jenen Wahlen auszuschließen, um die 
Pöbelherrschaft desto eher zu sichern. Die Nachricht von dem Angriff der 
Preußen auf Verdun (der einzigen Festung, die ihren Marsch gegen Paris 
aufhalten tonnte) benutzte man zum Vorwande, um die Wuth der Proletarier 
gegen die sogenannten Landesverräter (vorzüglich die Adeligen nebst den 
eidweigernden Geistlichen) auf's höchste zu steigern und das Mitleid für die 
bedrohten Opfer abzustumpfen. Ehe man an die Grenzen zog, um dem 
äußern Feinde zu begegnen, sollte mit dem innern Feinde im Rücken aufge¬ 
räumt werden. Nachdem dann unter Danton's Leitung in einer Nacht unter 
dem Vorwande von Haussuchungen nach Waffen eine allgemeine Verhaftung 
der Verdächtigen vorgenommen worden, begann am 2. September Nachmit¬ 
tags ein mehrtägiges Blutbad. Der Mord ward an den (22) Priestern, 
welche als überführte Verbrecher galten, ohne alle beschönigende Form voll¬ 
bracht; nach den Priestern kamen die gefangenen Schweizer und königlichen 
Gardisten an die Reihe. Bei den politisch „Verdächtigen" beobachtete man 
eine gewisse Regelmäßigkeit des Verfahrens. Man holte sie meistens einzeln 
aus den Zellen heraus, stellte sie vor ein improvisirtes Volks-Tribunal, 
welches die Führer der Banden aus eigener Machtvollkommenheit eingesetzt 
hatten, und entschied hier nach kurzem Verhör über ihr Schicksal; die Ver- 
urtheilten wurden alsdann in den Hos des Gefängnisses hinausgestoßen und 
auf der Stelle niedergemacht. Ein gräßliches Jauchzen begleitete jeden 
Streich, die Mörder (187 „Patrioten") nahmen wohl Abrede, keinen scharfen 
Hieb zu führen, um die Lust des Hinschlachtens länger zu genießen; die 
Commune sorgte für Wein, Weiber verstümmelten die Leichname, Kinder 
ließ man das Blut der Aristokraten trinken. Die Gemeinderäthe Manuel
	        
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