12. Der Reichstag zu Worms, 1521.
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werden? und Luther antwortete, vielleicht mit Hinweisung auf die nationale
Bewegung, die ihm zur Seite stehe: „Ist es das Werk eines Menschen, so
wird's in wenig Jahren untergehen; ist's aber aus Gott, so werdet Ihr es
nicht dämpfen können." So mißlang auch dieser zweite Versuch, die Spaltung
zu vertilgen.
Am 26. April verließ Luther Worms, nachdem der Vorschlag, ihm das
sichere Geleit nicht zu halten, nochmals, selbst von seinem Feinde, Herzog
Georg von Sachsen, bestimmt verworfen worden; ant 26. Mai, als schon
ein Theil der Stände Worms verlassen hatte, kam zu dem geistlichen Bann¬
flüche die Acht von Kaiser und Reich hinzu. In der Aechtungs-Urkunde heißt
es: „Noch zwanzig Tage gilt das sichere Geleit; später soll man ihn ergreifen
und zur Bestrafung ausliefern. Jeder, der ihn schützt, aufnimmt, seine
Bücher verlegt, druckt, kauft oder liefet, wird geächtet. Ohne Erlaubniß des
Bischofs (Ordinarius loci) oder eines Theologen der nächsten Universität darf
Nichts gedruckt und verbreitet werden, was auf Kirche und Religion Bezug
hat. Jeder Uebertreter dieser Vorschriften ist ohne Weiteres als Beleidiger
Kaiserlicher Majestät zu betrachten." Uebrigens trug das sog. Wormser
Edict ein falsches Datum: es war vom 26. auf den 8. Mai zurückdatirt,
als sei es mit der Stände „einhelligem Rath und Willen" ergangen, wäh¬
rend doch nur noch der Kurfürst Joachim von Brandenburg, der auch Luther
das Geleit verweigert hatte, erklärte, das Edict entspreche der Ansicht aller
Stände (Sachsen und Pfalz waren bereits abgereist).
Auf dem Rückwege von Worms nach Wittenberg verschwand Luther plötz¬
lich, und seine Freunde klagten laut: man habe das sichere Geleit gebrochen
und ihn gelobtet. Erst später verlautete: er sei auf Befehl des Kurfürsten
von Sachsen aufgehoben und als Ritter Georg nach der Wartburg in Thü¬
ringen gebracht worden. Hier beschäftigte ihn vor Allem die Ueberfetzung
der heil. Schrift. Solcher Ueberfetzungen gab es seit 1466 allerdings bereits
etliche, allein sie waren nicht sorgfältig nach der Urschrift, sondern lässig nach der
Vulgata gefertigt. Bei dieser neuen benutzte Luther den Rath von Melanchthon
u. A.; im Ganzen und Wesentlichen ist sie aber sein Werk, und nach Form
und Inhalt für jene Zeit und die damaligen Hülfsmittel so vortrefflich, daß
selbst Gegner ihren Beifall nicht versagen können. Sie ward eine unver¬
wüstliche Grundlage und ein unvergängliches Mittel der mannigfachsten
Entwickelung unserer deutschen Prosa-Sprache.
Nachdem in Worms die religiöse Neuerung durch das Reichsgesetz zurück¬
gewiesen war, hat dieses Gesetz zunächst doch keine Ausführung in Deutsch¬
land gefunden. Vielmehr verbreitete sich die neue Lehre immer weiter; allent¬
halben fanden sich einflußreiche Herren und bald auch mächtige Fürsten für
die Sache der Reformation. Denn der Kaiser war in Spanien und vollauf
mit dem französischen Kriege beschäftigt. Wollte er des Reiches Beistand
zum Kriege gegen den Erbfeind anrufen, so konnte er nicht mit Gewalt gegen