Full text: Die Geschichte der neuern Zeit (Bd. 3)

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Erster Zeitraum: 1492—1648. 
Schasihausen, St. Gallen, vielfach Wurzel gefaßt und sich mit allen gähren- 
den politischen Gegensätzen vermischt. Nur in den 5 kleinen Urcantonen, 
Schwyz, Uri, Unterwalden, Luzern, Zug, denen Freiburg und Wallis sich 
anschlossen, hielt die altgläubige Partei fest zusammen; denn die partricische 
Anarchie, welche hier ihren Sitz hatte, sah ihre Herrschaft und ihre reichsten 
Einnahmequellen verloren gehen, wenn die religiöse Demokratie durchdrang. 
Wie Zwingli die Kirche auf den Grund der Gemeinde zurückgeführt, so 
hatte er es auch mit dem Staate vor, und nicht bloß mit den einzelnen 
Cantonen, sondern mit dem großen Gemeinwesen der gesammten Eidgenossen¬ 
schaft. Er war der Erste, welcher den großen Gedanken faßte, den Schweizer 
Cantonen eine Gefammtverfaffung zu geben, ähnlich der repräsentativen 
Demokratie, wie sie jetzt nach drei Jahrhunderten wirklich zum Siege gelangt 
ist, und dabei das unnatürliche Uebergewicht der 5 kleinen Urcantone zu 
brechen, die auf der Tagsatzung durch Sitz und Stimme so viel bedeuteten 
als die großen Eantone. In der modernen Verfassung der Schweiz, die 
erst um die Mitte unseres Jahrhunderts zu Stande gekommen ist, haben 
endlich Zwingli's Ideen gesiegt. 
So wenig Zwingli selber zu einer Trennung des Politischen und Kirch¬ 
lichen geneigt war, so störte doch der politische Sondergeist, hier so mächtig 
wie in Deutschland, die Einigkeit der Resormirten. Bern und Zürich waren 
einig in Sachen der Kirchenreform, aber sie gingen auseinander, wenn es 
galt, der Schweiz eine andere Bundesverfassung mit einem neuen Vororte 
zu geben; da wollte keine Stadt der andern weichen. Drei Jahrhunderte 
hat es gedauert, bis dieser Streit ausgetragen worden und Zürich sich darin 
ergab, daß Bern beständiger Sitz der Bundesregierung ward. Damals war 
dieser Streit um den Vorrang um so schwerer auszugleichen, als Zürich, 
das Zwingli besaß und seine Lehre zuerst zur Geltung gebracht, die Führer- 
rolle in der Kirchenreform vor feinem Nebenbuhler voraus hatte. Diese 
Uneinigkeit benutzten die Urcantone, welche in den Reformen nur Revolution 
und Aufruhr erblickten und denen ein Kampf gegen die alte Kirche zugleich 
als ein Kampf gegen das herrschende Regiment galt, mit dem sie standen 
und fielen. Sie überraschten die Züricher, welche höchstens 2000 M. gegen 
einen vierfach überlegenen Feind zusammenbrachten, und ehe Hülfe der 
Verbündeten herbeikommen konnte, bei Cappel am 11. October 1531 der 
Uebermacht erlagen. Zwingli selbst fiel in dem lange schwankenden Kampfe. 
Das ist auch ein bezeichnender Gegensatz zu Luther, der Nichts von Waffen¬ 
gewalt wissen wollte. Der Cappeler Landfrieden vom 20. November 
1531 war den Resormirten ungünstig genug: sie mußten Kriegskosten bezah¬ 
len und ihre Bündnisse mit auswärtigen Mächten aufgeben; die Entscheidung 
über den Glauben aber ward, wie in Deutschland, den einzelnen Staats¬ 
gewalten überlassen, und hier wie dort blieb der Dualismus der Kirchen 
und Bekenntnisse bestehen.
	        
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