31. Verfall des persischen Reiches.
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aber gleich nach ihm verloren sie diesen Vorzug, da es Gewohnheit ward,
das Hauptcorps der Armee aus Miethtruppen zusammenzusetzen, wozu
man vorzugsweise Griechen nahm. Der Einfluß, den diese Sitte auf die
Verderbniß des Charakters beider Nationen gehabt hat, ist von den Ge¬
schichtschreibern noch nicht gehörig gewürdigt. Schaaren von Menschen, die
kein weiteres Interesse als das des 'Eigennutzes kennen, und ohne Bedenken
sich bloß dem Meistbietenden verkaufen, müssen bald in Räuberhorden aus¬
arten, bei denen die Erhaltung der Disciplin, wie Xenophon's eigenes Bei¬
spiel zeigt, zu einer Unmöglichkeit wird. Auch gibt es keine Gewohnheit,
wodurch bei der Leichtigkeit, eine Armee zusammenzubringen, die Menge der
Kriege mehr befördert würde; und bei der nothwendig entstehenden allgemei¬
nen Unsicherheit Pflegen nicht selten die Zeiten zunächst nach dem Kriege
noch trauriger als die Kriege selbst zu sein.
Eine andere Ursache der innern Zerrüttung des persischen Staates ist
in der Widerspänstigkeit und Empörung der Satrapen zu suchen.
Man hatte zwar durch die Trennung der Civil- und Militärgewalt diesem
vorzubeugen gesucht, allein die persischen Könige begingen die Thorheit, die
Statthalterschaften nicht nur nicht zu verkleinern, sondern sogar mehrere
Einem zu übertragen, besonders wenn der Satrap unmittelbar aus dem könig¬
lichen Hause und ein Bruder oder naher Verwandter des Königs war. Aber
weit entfernt, dadurch den Rebellionen vorzubeugen, wurden sie vielmehr,
wie die Geschichte des jüngern Cyrus lehrt, dadurch befördert, und zwar um
so viel mehr, da es auch häufig Sitte ward, die Satrapen zu Feldherren
zu ernennen und die Civil- und Militärgewalt in ihrer Person zu ver¬
einigen. 'Diese Empörungen der Satrapen fingen zuerst an unter
Artaxerxes I. Sie wurden befördert durch die Verhältnisse, in welchen die
Perser mit den Griechen und Aegyptiern standen, und die Länder des west¬
lichen Asiens, Vorder-Asien sowohl als Syrien, waren der gewöhnliche
Schauplatz derselben. Es hielt bei dem eingewurzelten Haß der Aegyptier
und den politischen Factionen und Bürgerkriegen, die Griechenland zerrütteten,
nicht schwer, sich bald hier bald dort Unterstützung zu verschaffen. Wie hätte
ohne diesen Parteigeist der Satrapen der spartanische Feldherr Agesilaus es
wagen dürfen, mit einer Handvoll seiner Mitbürger der ganzen persischen
Macht Hohn zu sprechen und den Thnm des großen Königs in Asien zu
erschüttern?
Allein nicht weniger verderblich ward endlich diesem Reiche das ungeheure
Sittenverder.bniß des Hofes. Der Einfluß der regierenden Königin,
vorzüglich aber der Königin Mutter, entschied hier allein. Man muß in der
Hofgeschichte des Ktesias die Charaktere und Gewaltthätigkeiten einer Amytis,
Amistris, vorzüglich aber einer Parysatis*) gelesen haben, um sich von dem,
*) Siehe oben Seite 98.