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IX. Die Griechen.
der gesetzlichen Verfassung, und die jüngeren Geschlechter lernten Pericmder's
I Namen wie den eines fluchwürdigen Despoten verabscheuen.
39. Die Gesetzgebung des Lykurgus.
(Nach G. F. Schoemann, griechische Alterthümer.)
Ueberwiegende Gründe sprechen für die Ansicht, daß Lykurgus kei¬
neswegs eine nur fingirte Person sei, sondern daß wirklich ein alter Gesetz¬
geber dieses Namens einst in Sparta gelebt und sich um die Ordnung des
Gemeinwesens so ausgezeichnete Verdienste erworben habe, daß man später¬
hin auf ihn Alles oder das Meiste der Einrichtungen übertrug, die zu ver¬
schiedenen Zeiten, theils vor ihm, theils nach ihm, aufgekommen waren, und
von denen manche vielmehr alter Sitte als ausdrücklicher Gesetzgebung ihren
Ursprung verdankten. Seine Lebenszeit fiel wahrscheinlich in die erste Hälfte
des neunten Jahrhunderts v. Chr. Damals soll, nach der am meisten gang¬
baren Erzählung, Lykurgus, aus heraklidischem Geschlechte, jüngerer Sohn
eines Königs aus dem Prokliden- oder Eurypontidenhause, als Vormund
seines unmündigen Brudersohnes Charilaus, die Regierung geführt, dann,
nachdem sein Mündel selbst den Thron bestiegen hatte, längere Zeit im Aus¬
lande auf Reisen zugebracht haben, die Einige ihn selbst bis nach Aegypten,
ja, bis nach Indien hin ausdehnen ließen, endlich aber auf den Wunsch des
Volkes zurückgekehrt sein, um die Versassung des damals an Uneinigkeit und
Verwirrung krankenden Gemeinwesens zu ordnen. Als Ursachen dieser Ver¬
wirrung werden angegeben theils die Unzufriedenheit mit dem Charilaus,
der tyrannisch, d. H. mit Überschreitung der herkömmlichen Schranken der
königlichen Gewalt, regiert habe, theils die Ungleichheit der Besitztümer, da
der größte Theil des Volkes arm war, die Minderzahl der Reichen aber durch
Uebermuth und Unterdrückung Neid und Mißvergnügen erregte. Zu seinem
Geschäfte als Gesetzgeber und Ordner des Staates ward Lykurgus ausdrück¬
lich durch den Spruch des delphischen Orakels autorisirt und damit seinen
Satzungen eine göttliche Sanction gegeben. Diese Satzungen werden Rhetren
{(iijrQ«i, (jaTQai) genannt, wohl nicht, wie Einige gemeint haben, um sie
als Götteraussprüche zu bezeichnen, sondern weil dieser Name ganz allgemein
von jeder in bestimmter Form ausgesprochenen Festsetzung, wie das lateinische
lex, gebraucht wurde. Seine Rhetren waren übrigens nur mündlich aus¬
gesprochene, nicht schriftlich aufgezeichnete Anordnungen, und wurden also
auch nur im Gedächtniß, nicht in Archiven aufbewahrt.
Die Anordnungen, die dem Lykurgus zugeschrieben werden, lassen sich
auf fünf Hauptpunkte zurückführen. Sie betreffen nämlich 1) die Einthei-
lung des Volkes in Phylen und Oben; 2) die Landvertheilung unter