76. Der peloponnesische Krieg bis zum Frieden des Nicias. 273
Korinth: dieses aber betrachtete Athen seitdem als eine feindliche Macht, weil
es, dem Vertrage zuwider, gegen Peloponnesier gekämpft hatte. Kurz
darauf gab der A b f a l l P o t i d ä a' s Veranlassung zu neuer Erbitterung.
Potidäa nämlich, eine korinthische Pflanzstadt an der makedonischen
Küste, war Athen als unfreiwilliger Bundesgenosse zinspflichtig. Als nun
Athen, überhaupt für seine Bundesgenossen in jener Gegend wegen korin¬
thischen Einflusses besorgt, kurz nach den Vorfällen bei Corcyra, von Poti¬
däa verlangte, daß es einen Theil seiner Mauern niederreißen, keinen ko¬
rinthischen Beamten mehr aufnehmen und zu fernerer Sicherheit Geisel
stellen solle, da sagte sich dieses, von dem Könige der Macedonier Perdikkas,
welcher mit den Athenern in Feindschaft lebte, gereizt, im Vertrauen auf
die verheißene Hülfe der Peloponnesier, von seinen Verpflichtungen gegen
Athen offen los. Schon 40 Tage nach dem Abfalle kamen 2000 Mann
Hülfsvölker- von Korinth, welche, mit Potidäern und Macedoniern
vereint, einer weit überlegenen Macht der Athener auf der Landenge bei
Olynth entgegentraten. Nach hartem Kampfe siegten die Athener und
schlossen Potidäa von der Seite des Festlandes und des Meeres ein.
Mehr glaubten die Korinthier nicht dulden zu dürfen, ohne die gemein¬
same Sache der Peleponnesier dem Uebermuthe der Athener Preis zu geben.
Deßhalb beriefen sie eine Versammlung der Bundesgenossen nach Sparta
zu gemeinsamer Berathung. Es waren aber zu derselben Zeit in anderen
Angelegenheiten athenische Gesandte gegenwärtig, welche, als sie erfuhren,
wie die Korinthier Sparta zu offener Feindschaft gegen Athen gereizt hat¬
ten, ebenfalls auftraten und in lebendiger Rede zuerst die Größe ihres
Staates und was er für Hellas gethan, rühmten, dann aber die Lacedä-
monier ermahnten, wegen leichten Anlasses die bestehenden Verträge nicht
zu brechen und keinen Krieg zu beginnen, sondern durch vertragsmäßigen
Rechtsspruch die Beschwerden der Bundesgenoffen zu erledigen. König
Archidamus sprach, als sich die Menge für den Krieg mit Athen erklärte,
im Sinne der athenischen Gesandten, und Widerrieth, indem er auf die Ge¬
fahr, die Sparta der ungleiche Kampf bringen müsse, aufmerksam machte,
auch die Entscheidung durch die Waffen. Doch seine Klugheit mußte der
wilden Ueberredungskunst des Ephoren Sthenelaidas weichen. Denn ein¬
stimmig beschlossen die Lacedämonier, „der Waffenstillstand sei gebrochen
und der Krieg müsse begonnen werden".
Also rüstete man auf beiden Seiten zum Kriege, der sofort begann.
Seine lange Dauer ist vorzüglich daraus erklärlich, daß entscheidende Schläge,
bei ungleichen Waffen der Kämpfenden, Anfangs nicht geschehen konnten.
Athen wollte durch seine Dreiruderer siegen, während Sparta mit Schwer¬
bewaffneten in Feindes Land eindrang. Vielleicht hätten eine oder zwei
entscheidende Schlachten Hellas damals noch viel von der alten Kraft
gerettet.
Pütz, Histor. Darstell, u. Charakteristiken I. 2. Aufl.
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