§ 39. Der Deutsch-französische Krieg 1870 u. 71.
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kam. wurde er in zwar feierlich-ernster, doch aber in hochbegeisterter Weise
begrüßt. Ans allen Teilen Deutschlands erhielt er Zuschriften, die sein
mannhaftes Auftreten gegen fränkischen Übermut priesen. Am 19. Juli
erklärte Frankreich den Krieg an Preußen.
2. Die Vorbereitungen zum Kriege wurden auf deutscher Seite
mit größter Eile betrieben. König Wilhelm machte sein Heer mobil, das, dank
den vortrefflichen Einrichtungen des preußischen Kriegsministers von Roon,
schon nach 14 Tagen schlagfertig am Rheine stand. Aber auch die süd¬
deutschen Fürsten, voran der König von Bayern, blieben ihrem Bundes¬
genossen, König Wilhelm, treu und stellten ihre Truppen unter seinen Be¬
fehl. Das hatte Napoleon nicht erwartet; in ihnen glaubte er vielmehr
Verbündete zu finden, die sich für 1866 rächen würden. So einig war
unser Vaterland nie zuvor gewesen; so begeistert und opferfreudig ist selten
ein Volk dem Entscheidungskampfe entgegengegangen! Freiligrath, Geibel
und andere Dichter gaben dieser Stimmung poetischen Ausdruck, und „bie
Wacht am Rhein“ warb zum Volksliede. — Auch in Frankreich war die
Stimmung eine sehr gehobene; in ruhmrediger Weise sprach man dort von
„dem Spaziergange nach Berlin". Aber das französische Heer war weder
schlagfertig noch marschbereit. — Das deutsche Heer wurde in drei große
Armeen geteilt. Die Erste Armee führte General von Steinmetz, der
Sieger von Nach ob unb Skalitz, ber bei Saarbrücken staub, bie Zweite
sammelte sich in ber nörblichen Rheinpfalz unb würbe vom Prinzen Friebrich
Karl befehligt, bie Dritte, zu ber auch bie sübbeutschen Truppen gehörten,
staub unter bem Befehle bes Kronprinzen von Preußen, süblich von ber Zweiten.
Den Oberbefehl über biefe Heermassen führte König Wilhelm selbst. — Er
hatte zur Auszeichnung für tapfere Taten am Tobestage seiner Mutter,
ber Königin Luise (19. Juli), den Orden des Eisernen Kreuzes erneuert.
3. Die ersten Kämpfe. Napoleon wollte seinen Parisern gern recht
bald eine Siegesbotschaft senden, unb so griff er mit einem überlegenen
Heere am 2. August bie offene Stadt Saarbrücken an, die nur von zwei
Bataillonen Preußen besetzt war. Diese zogen sich erst nach hartnäckigem
Kampfe zurück, und Napoleon konnte nun von einem ersten „großen" Siege nach
Paris berichten. Aber am 4. August überschritt der Kronprinz die Grenze
und griff die Stadt Weißenburg und den von den Franzosen stark be¬
setzten Geißberg an. Trotz Chassepots (französische Gewehre) und Mi-
trailleusen wurden Festung und Berg erstürmt und viele Franzosen ge¬
fangen genommen Schon zwei Tage spater, am 6. August, stellte sich
der vorrückenden Dritten Armee der General Mac Mahon entgegen. Er
hatte die steilen Höhen um Wörth und Fröschweiler besetzt. Aber auch
hier vermochten die Franzosen der Tapferkeit der Preußen, Bayern und
Württemberger nicht standzuhalten, obgleich Mac Mahon, um wenigstens
einen geordneten Rückzug antreten zu können, zwei Küraffierregimenter den
Deutschen entgegenwarf. Das furchtbare Schnellfeuer der Deutschen ver¬
nichtete die Feinde fast gänzlich. Die Flucht der Franzosen war ganz regel¬
los, und erst jenseits der Mosel konnten sie sich wieder sammeln. In die