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§ 26. Der Große Kurfürst Friedrich Wilhelm.
Zeit die «Steuern. Damit lockte er viele Ansiedler aus Holland und der
Schweiz in fein Land, die sich namentlich in den Niederungen der Cber
und der Havel niederließen. — Um Geld in die gänzlich erschöpfte Staats¬
kasse zu erhalten, führte er eine Verbrauchssteuer ein. Dieselbe brachte rei¬
chen Ertrag und füllte bald die Staatskasse, und doch wurden die Lebens¬
bedürfnisse in kaum merklicher Weife verteuert. Der Kurfürst aber erhielt
Geld, so daß er da Hilfe bringen konnte, wo diese not tat. So gab er
den gänzlich verarmten Bauern Saatgetreide und Zugvieh. Mit Eifer
betrieb der Kurfürst den Anbau der Kartoffel. Jeder Bauer mußte bei
feinem Hause einen Garten anlegen. Kein Bauernsohn durfte heiraten,
wenn er nicht vorher sechs Obstbäume gepfropft und sechs Eichenbäume
gepflanzt hatte. In feinen Gärten zu Berlin und Potsdam ging der Kur¬
fürst feinen Untertanen mit gutem Beispiel voran, indem er die Zucht von
feinem Gemüse und von Blumen trieb, wie er es in Holland gesehen
hatte. — Auch den Gewerbe- und Handelsftand hob er durch Anlage
von Fabriken und Unterstützung strebsamer Handwerker. Damit ein schnel¬
lerer Verkehr stattfinden könne, ließ er dte Landstraßen verbessern, auch
legte er den Friedrich-Wilhelms-Kanal an, der die Oder mit der Spree ver¬
bindet. Eine wohl eingerichtete eigene Post verband alle Teile des Landes
und führte von Tilsit bis Kleve. — Später gründete der Kurfürst eine
Kriegsflotte, die sich sogar mit den Kriegsschiffen der stolzen spanischen
Flotte in siegreiche Gefechte einließ. Um feinen Landeskindern die geschätzten
Waren der heißen Zone billiger zu verschaffen, und um an dem großen
Welthandel Anteil zu erhalten, erwarb er an der Westküste von Afrika eine
Kolonie und ließ dort die Festung Groß-Friedrichsburg erbauen. Die an¬
dern Seemächte aber, vor allem Holland, bereiteten ihm viele Schwierig¬
keiten, und des Kurfürsten Nachfolger gaben darum jene ferne Besitzung
wieder auf. — Unter solch treuer landesväterlicher Pflege erholte sich
das Land sehr schnell. Die Bewohner gelangten zu einigem Wohlstände
unb konnten bie Steuern unb Abgaben leicht aufbringen. Dem Kurfürsten
aber würbe es möglich, fein Heer beftänbig zu vergrößern.
4. Balb sollte er es brauchen im Schwebisch-polnischen Kriege.
Die Tochter Gustav Abolfs hatte bie Krone Schwebens niebergelegt, war
katholisch geworben unb bestimmte ihren Vetter Karl Gustav zu ihrem Nach¬
folger. Aber auch ber Polenkönig machte Ansprüche auf ben schwedischen
Thron. In bem zwischen biefen beiben ausbrechenben Kriege verband sich ber
Kurfürst zunächst mit bem mächtigeren Schwebenkönig unb half diesem
das Polenheer in ber breitägigen Schlacht bei Warschau (1656) vollstän¬
dig schlagen. Dafür würbe bem Kurfürsten im Vertrage zu Labiau (nord¬
östlich von Königsberg) 1656 von bem Könige von Schweben, ber sich als
Herr von Preußen betrachtete, bie Souveränität über Ostpreußen verliehen,
d. H. er sollte das Land nicht mehr als Lehen, sondern als freies Eigentum
besitzen. — Gegen Schweden erhoben sich aber jetzt mächtige Feinde: der
Danenkömg, der deutsche Kaiser u. s. w. Schweden konnte dieser Übermacht
nicht widerstehen, und da der schwedische König eben seine Heere durch