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Geschichte der neuen Zeit.
hereinstürzten. Einer derselben rief ihm zu: „Bist buColigny?" — „Ich bin es",,
antwortete dieser mit gefaßter Miene, „junger Mensch, habe Ehrfurcht vor meinen
grauen Haaren". Aber dieser stieß ihm den Degen in den Leib, zog ihn rauchend
wieder heraus, hieb ihm ins Gesicht, in den Hals, in die Brust, so lange, bis der
Unglückliche kein Zeichen des Lebens mehr von sich gab und rief dann zum Fenster
hinaus: „Es ist geschehen!" Um aber die unten Stehenden von dem Tode des
Admirals zu überzeugen, ward der Leichnam zum Fenster hinabgeworsen. Auf
das fürchterliche Geschrei, welches sich gleich auf den Klang der Glocke erhoben
hatte, waren die Hugenotten aus dem Schlafe erwacht und an die Fenster, ja an
die Thüren gestürzt, meist schlaftrunken, viele fast unbekleidet. Sie rourbettjotuie
sie sich auf den Straßen zeigten, niedergestoßen. Jetzt kamen auch die bewaffneten
Bürger hervor, die man ins Geheimniß gezogen und zu diesem Geschäft befehligt
hatte, und die als Kennzeichen weiße Tücher trugen. Sie fielen nicht blos über
die Fliehenden her, sondern drangen auch in die Häuser und metzelten nieder, was
sie erreichen konnten. Wirthe stachen ihre Miethsleute, Dienstboten ihre resormirtcn
Herrschaften über den Haufen. Während viele Pariser wutschnaubend _ durch die
Straßen liefen, sanken andere röchelnd und winselnd nieder oder saßen in Todes¬
angst in Kammern, auf Böden und in Kellern und wagten kaum zu athmen, bis
das Bedürfniß oder die Neugier sie doch verlockte, wo sie dann gleichfalls nieder¬
gemacht wurden. Der Tag brach an über diesen Greueln. Da sah man denn die
Spuren dieser ungeheuern Menschenschlacht. Straßen und Häuser klebten von Blut;
überall verstümmelte Leichname oder noch zuckende Sterbende. Man mußte einen
großen Theil derselben an eisernen Haken in die Seine schleppen.
Fortsetzung des Blutbades. So heftig Karl vor dem Anfang des Blutbades
gezittert batte, so gerieth er doch nachher selbst in Wuth. Er rief mehrmals zum
Fenster hinaus: „Tödte, todte!" ja, man sagt, er habe selber mit einer Flinte unter
bie Flüchtlinge geschossen, bie sich über ben Fluß zu retten versuchten. Das Morben
währte übrigens noch brei Tage fort, unb nicht nur in ber Hauptstadt, sonbern iu
bett meisten Provinzen bes Reiches. Im ganzen rechnet man bie Zahl ber Er-
morbeten nach einer mäßigen Angabe auf 30,000; andere geben weit mehr, sogar
100,000 an. Jeboch fanden sich unter den Statthaltern in ben Provinzen auch
manche eble Männer, bie bett königlichen Befehl nicht vollzogen. Einer von biefett
vernichtete bett Brief auf ber Stelle, unb ein an ber er schrieb an ben König: „Sire,
ich habe Ew. Majestät Befehl Ihren getreuen Einwohnern unb ben Kriegsleuten
ber Besatzung funb gemacht und da lauter gute Bürger und mannhafte Soldaten,
aber nicht einen einzigen Henker gefunden. Sie und ich bitten Ew. Majestät unter-
thänigst, Sie wollen unsere Arme und unser Leben nur zu möglichen Unterneh¬
mungen, seien sie auch noch so verwegen, anzuwenden geruhen". Matt nannte die
furchtbare Mordnacht wegen des darauf folgenden Bartholomäustages, bte_ Bar¬
tholomäusnacht, oder auch, weil sie bald nach ber Hochzeit bes Königs Heinrich
von Navarra ftattfanb, bie pariser Bluthochzeit. ■
Karls Tod. Karl IX. würbe tn ber Folge von einer entnervenden Krankheit
befallen, bie mit jebettt Tage zunahm. Die Qualen bes Gewissens folterten sein
Gemüth; benn seit ber Bartholomäusnacht verscheuchten bie Schreckensbtiber ber
Ermorbeten den Schlaf von seinem Lager. Er starb (1574), noch nicht volle
24 Jahre alt. Nach Weiter und Stacke.
128. Keinrich IV., König von Krankreich. 1589—1610.
Kämpfe für den Thron. Als in Frankreich das Hans Balois erloschen war,
gelangten die Bourbonen zur Regierung. Es kaut jetzt der früher erwähnte ^etnnch
von Navarra unter dem Namen Heinrich IV. auf den Thron. Fünf schwere Jahre
mußte er Krieg fuhren, ehe er Paris gewann, unb die ?yranzosett nur einigermaßen
mit sich versöhnte. Seine Feinde, unter denen die Familie der Gutiett_ obenan
stand, waren so erbittert auf ihtt, daß sie gar die Spanier ins Land rtefen, um
ihm nur widerstehen zu können. Dennoch konnten sie dem tapfern Heinrich nichts
anhaben. In einer Schlacht sprach er zu seinen Kriegern: „Gefährten! wenn ihr
heute das Leben für mich wagt, so wage ich auch das metnige für euch. Wenn
ihr eure Standarten verlieren solltet, so sehet nur nach meinem wettzen Federbusche;
ihr werdet ihn immer auf dem Wege ber Ehre unb bes Sieges finden . Die kurzem