Full text: Kurze Übersichten über den Verlauf des Weltkriegs

49 3. Die dritte deutsche Offensive: Der Vorstoß von der Aisne bis zur Marne. § 02 
schreibt: „Wir haben noch nie einen so furchtbaren Stoß auszuhalten gehabt." 
„Daily Telegraph" konnte nicht umhin, die Leistungen der deutschen Heeresleitung und der 
deutschen Truppen anzuerkennen. Er rühmt die genauen Berechnungen und die geschickte 
Führung und ruft aus: „Vorzüglich hatte der Generalstab gearbeitet." Er zählte 
alle zu überwindenden Schwierigkeiten auf und sagte dann: „Aber die Teutschen brachten 
auch dies fertig"! Der italienische Berichterstatter Barzini, der noch kurz vorher erklärt 
hatte, das Ententeheer hege für die Deutscheu, die immer nur in Übermacht anzugreifen 
wagten, nur Verachtung, telegraphierte von der englischen Front an den „Eorriere della 
Sera": „Die Lage ist furchtbar. Die deutschen Heere sind vorbereitet wie noch 
nie. Sie verfügen über geradezu phantastische Kampfmittel und besitzen eine 
neue Mauöveriermasse von unzähligen Divisionen." 
Sa. 
Die (seil-) Offensive (üblich der Linie Doyon —(Dontbibier 
9.- 11. Juni 1918. 
In dem bis zur Marne vorgetriebenen Sack war schließlich die gegen Paris 
gerichtete Westflanke die Hauptfront geworden. Sie ließ sich frontal aber nur 
unter größten Opfern weiter vorwärts schieben, da sie vor gewaltigen, stark befestigten 
Wäldern stand, die sich in Nordsüdrichtung am östlichen Ufer der Oise bis weit über 
Compiegne hinaus erstrecken. Deshalb suchte man durch eine von der Linie Noyon— 
Montdidier (also von dem in der Amiens-Offensive eroberten Gelände, s. § 52) 
ausgehenden Offensive diesen Wäldern in den Riiüen zu kommen. Obgleich die Feinde 
nach eigenem Eingeständnis auf dieses Vorgehen vorbereitet waren (nach einer 
Lesart soll die Offensive verraten worden sein), hatte diese zweitägige, gegen den 
Matzbach gerichtete Offensive (9. und 10. Juni) doch großen Erfolg. Schon am Mittag 
des ersten Tages war man bis zu 7 km, am Abend des zweiten Tages (über den 
Matzbach hinaus) bis zu 15 km vorgestoßen, bei einer Angriffs front von 40 km1). 
Die Folge war, daß die Feinde von dem oben genannten Waldgebiet den kleineren 
nördlichen Teil (den Wald von Carlepont), in dessen Rücken wir gekommen waren, 
räumen mußten. 
Um auch bei dieser schwierigen, weil von den Feinden erwarteten Offensive Menschen¬ 
leben möglichst zu schonen, ließ man die Artillerie in besonders großem Umfang wirken, so 
daß Pariser und Londoner Blätter erklärten, es sei die größte Artillerieschlacht dieses 
Krieges gewesen. Barzini, der bekannte italienische Berichterstatter, schrieb: „Hier ist keine 
Schlacht mehr, sondern ein ununterbrochener, furchtbar daherbrausender Orkan. 
Es waren förmliche Menschenjagden phantastischer Art, die sich dort abspielten. Die fran¬ 
zösisch - englische Artillerie war machtlos, denn die Anstürme erfolgten so schnell, 
daß sie nicht rechtzeitig aufgehalten werden konnten. Von dem Gelände begünstigt, konnte 
sich das deutsche Manöver des Einkeilens und Umgehens erfolgreich vollziehen, und 
der feindliche Angriff drang schnell auf 10 km in das Matztal ein." 
Leider mußte man deutscherseits, wenn man nicht ungeheure Opser an Menschenleben 
bringen wollte, von einem weiteren Vordringen schon nach zwei Tagen abstehen. Hätte man 
hier (westlich von der Oise) weiter vorstoßen können, etwa bis über Eompiögne hinaus, so hätten 
die Feinde auf dem östlichen Flußufer nicht bloß den Wald von Carlepont (s. oben), sondern auch 
*) In zwei Tagen war ebensoviel Gelände gewonnen, wie die Engländer und Franzosen 
in sechs Monaten in der Sommeschlacht gewonnen hatten (§ 9 u. 10). 
Harms, Weltkrieg. 
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