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und dessen freundliche Kinder, die jetzt wohl noch schöner aufblühen mochten als diese
Blumen; da vernahm er von dem Gartenhause her ein lautes Getöse und ängstliches
Wimmern. Rasch durchbrach er die dicke Hecke und eilte dem Orte zu. Im Garten¬
hause lag Muley überwältigt am Boden; die Verschworenen hielten ihn fest, während
der Renegat ihm auf die Brust kniete und ihn mit einer Schnur zu erdrosseln suchte.
„Halt ein, Verräter!" rief Raimund und schmetterte mit seinem schweren Grabscheite
den Renegaten zu Boden. Furchtbar, mit flammeusprühenden Blicken stand der christ¬
liche Ritter da, und mit den Worten: „Fort, ihr Verwegenen! durch Mord und Verrat
darf kein Christ seine Freiheit erkaufen!" trieb er die erschrockenen, noch unbewaffneten
Empörer zur Thüre hinaus. Muley hatte sich indessen wieder erholt. Er sah Raimunds
heldenmütige That, hörte den blutenden, hart getroffenen Renegaten im Todeskampfe
neben sich röcheln und überschaute leicht das Ganze. Zitternd richtete er sich vom Boden
auf, und mit den Worten: „O du großmütiger Retter meines Lebens!" sank er an die
Brust seines Sklaven. Dieser wies aber jeden Dank, jede Belohnung stolz und kalt
von sich ab. „Im offenen Kampfe", sprach er ernst, „würde ich dich gern erlegt haben-,
aber gegen Verrat und Meuchelmord schützt der christliche Ritter selbst seinen Feind."
Muley war von Raimunds edlen, großherzigen Gesinnungen tief ergriffen. Er führte
ihn in seinen Palast, und während er den Aufrührern eine furchtbare Rache schwur,
drang er mit rührender Innigkeit in seinen Retter, daß er bei ihm bleiben, alles mit
ihm teilen und ein Mohammedaner werden möchte. Er zeigte ihm alle seine unerme߬
lichen Reichtümer, seine schönen Besitzungen; er schilderte ihm mit glühenden Farben
das reizende Leben, welches er ihm bereiten wollte; aber Raimund erwiderte ernst und
mild: „Du würdest mich gewiß nicht mehr achten und mir nicht mehr trauen, wenn ich
deine Wünsche erfüllte. Sieh, über jenen Renegaten, den ich als deinen Mörder er¬
schlug, glaubtest du schon gesiegt zu haben, aber du hast beinahe durch den Verlust
deines Lebens erfahren, daß dem, welcher das Heiligste verleugnen konnte, auch alles
andere nichts mehr gilt." Als aber Muley beschämt und traurig vor ihm stand, weil
er jeden dargebotenen Dank zurückwies; als er ihn beschwor, nur selbst zu fordern, und
bei dem Namen des Propheten jede Forderung zu erfüllen versprach: da bat Raimund
endlich — um Gnade und Freiheit für jene unglücklichen Mitverschworenen, deren
Martertod schon beschlossen war.
Der Türke zögerte finster, aber er hatte beim Namen des Propheten geschworen;
er wollte an Großmut seinem Sklaven nicht nachstehen und antwortete: „Wohlan, so
nimm das Leben jener Elenden von mir als ein Geschenk und schalte damit nach Ge¬
fallen; dn selbst aber darfst nicht mehr mein Sklave bleiben. Was du zu stolz bist,
von mir zu fordern, das will ich dir nun freiwillig schenken, — deine Freiheit. Nimm
dir von meinen Schätzen, soviel dir gelüstet; zieh heim in dein Vaterland und denke oft
an den dankbaren Cid Muley!" Raimund empfing freudig das Geschenk seiner Freiheit,
aber alle übrigen ihm dargebotenen Schätze verschmähend, nahm er nur sein Sklavenkleid
als Andenken an jene traurigen Jahre mit und schiffte sich, in Begleitung der acht
Freigelassenen, denen sein Heldensinn ein Verbrechen erspart und die Freiheit erworben
hatte, nach Malta ein.
Wolfgang lebte indessen ruhig und glücklich im Kreise seiner zahlreichen Familie.
Das Andenken an den geliebten Bruder verließ ihn nie. In tiefer Wehmut erzählte er
oft den Seinigen von der festen brüderlichen Freundschaft, von der nie gestörten Ein¬
tracht ihres thätigen Lebens, und gab sich der seligsten Rührung hin, wenn seine beiden
Söhne sich bei der Erzählung des Vaters still die Hände reichten, als ob sie einander
einen gleichen Bruderbund gelobten.
Wer beschreibt das Fest des Wiedersehens, als der totgeglaubte Raimund in diesen
Kreis lebend eintrat; als die alt gewordenen Brüder sich mit ihrer jung gebliebenen
Liebe wieder in den Armen lagen; die zu Jünglingen und Jungfrauen aufgeblühten
Kinder den Wiederauferstandenen jauchzend umfingen, und das Entzücken dann keine
Worte mehr hatte, sondern nur Thränen! — Raimund mußte endlich sein Schicksal
erzählen. — Als er geendet hatte, reichte ihm der Bruder die Hand und sprach: „Selig
sind, die an dem Herrn festhalten! Die Tugend eines Christen ist doch siegreicher als
sein Schwert!" Und die Mutter und die Kinder falteten die Hände und sprachen:
„Amen!"