§ 21. Johannes Huß.
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§ 21. Johannes Hich.
1. Verderbnis der Kirche. In derselben Zeit, in der sich im Reiche
mehrere Kaiser bekämpften, regierten auch in der Kirche drei Päpste zu gleicher
Zeit. und ein jeder that die anderen mit ihrem Anhange in den Bann. Als
Kirchenlehre war vieles aufgestellt worden, was mit der Heil. Schrift nicht über¬
einstimmte, so wurde, mit der Verehrung der Heiligen, deren Bildern und Über¬
resten (Reliquien) ein förmlicher Götzendienst getrieben. Die Macht der Geist¬
lichen hatte man erhöht durch Einführung der Ohrenbeichte und der Priester¬
weihe als einem Sakrament. Die Zahl der Sakramente war auf sieben ver¬
mehrt und der Kelch beim heil. Abendmahl den Nichtgeistlichen (Laien) ent¬
zogen worden. Viele Geistliche führten ein überaus weltliches Leben und gaben
durch Völlerei, Trägheit, Habsucht und Unsittlichkeit öffentliches Ärgernis. In
den Mönchs- und Nonnenklöstern hatten sich große Reichtümer aufgehäuft, und
ein müßiges, oft auch ausschweifendes Leben wurde in ihnen geführt.
2. In diesen traurigen Zeiten aber hat es nicht an frommen Leuten ge¬
fehlt, die mutig gegen solch unchristliches Wesen auftraten. Ein frommer
Kaufmann, Peter Waldus in Lyon, hatte die Bibel in ihrer Ursprache ge¬
lesen, viele Irrtümer der Kirche erkannt und Gemeinden gegründet, die sich
Waldenser nannten. Die Kirche bezeichnete diese von ihr Abgefallenen als
Ketzer und verfolgte sie mit Feuer und Schwert. Reste dieser Gemeinden
haben sich in den Alpenthälern Italiens erhalten. — Ein anderer freimütiger
Zeuge der biblischen Wahrheit war der Professor Wiklef in England. Er
übersetzte die Bibel in die englische Sprache und erklärte sie für die einzige
Richtschnur des Glaubens und des Lebens. Obgleich er vom Papste mit dem
Banne belegt wurde, so breiteten sich seine Schriften überall aus. Auch in
Prag wurden sie bekannt, und hier war der Professor Huß ein eifriger Ver¬
teidiger derselben.
3. Johannes Huß war ein Böhme und genoß den Ruhm eines ge¬
waltigen Predigers und vorzüglichen Lehrers. Er tadelte kühn die vielen
kirchlichen Mißbräuche und die Sittenlofigkeit der Geistlichen, er bekämpfte die
Oberherrschaft des Papstes und forderte für die Laien den Kelch beim Abend¬
mahl, von diesen aber ernste Buße. Die hohe Geistlichkeit untersagte ihm das
Predigen, und da er trotzdem nicht schwieg, wurde er gebannt. Die Bannbulle
ließ Huß unter dem Galgen verbrennen. Seine meisten Anhänger unter den
Studenten waren Böhmen, denn die Deutschen haßten ihn wegen seiner Feind¬
schaft gegen ihre Nation. Ihrer viele wanderten damals aus Prag weg und
gaben Veranlassung zur Gründung einer zweiten deutschen Universität zu Leipzig.
4. Konzil zu Konstanz. Dem Bemühen Kaiser Sigismunds gelang
es, daß endlich eine Kirchenversammlung (Konzil) nach Konstanz (Kostnitz) be¬
rufen wurde. Hier sollte 1. die Kirchenspaltung aufgehoben, 2. die Ketzerei,
namentlich die hufsifche, ausgerottet und 3. eine Reformation (d. i. Verbesserung)
der Kirche vorgenommen werden. Im Jahre 1414 wurde dieses Konzil
eröffnet, das zugleich ein Reichstag war, denn außer einer ungeheuren Zahl
hoher Geistlicher waren auch sehr viele Fürsten mit Gefolge erschienen. Die
erste Aufgabe wurde gelöst, indem man alle drei Päpste absetzte und einen
neuen wählte. Die Reformation der Kirche wurde aufgeschoben. Aber durch
die Erledigung seiner zweiten Aufgabe hat das Konzil eine traurige Berühmt¬
heit erlangt. Huß wurde vorgeladen und erschien auch, da ihm der Kaiser
einen Geleitsbrief ausgestellt hatte, der ihm sichere Hin- und Rückreise ver-