Full text: Geschichte für Volks- und Bürgerschulen : mit Abbildungen (Nr. 4)

heit wieder in den Saal. Mutig verteidigte er seine Bücher und Lehren in einer 
2ständigen Rede in deutscher nnd lateinischer Sprache und wies die Aufforderung zum 
Widerruf mit den Worten zurück: „Es sei denn, daß ich mit Zeugnissen der H. Schrift 
oder mit öffentlichen, hellen und klaren Gründen überwunden und überwiesen werde, 
daß ich geirrt habe, sonst kann und will ich nicht widerrufen." Der Kanzler fiel ihm 
heftig in die Rede und sagte, man verlange eine runde Antwort. Da sprach Luther: 
„Nun so will ich eine Antwort geben, die weder Hörner noch Zähne haben soll. Ich 
kann und will nicht widerrufen, weil mein Gewissen in Gottes Wort gefangen ist." 
Und die Sage setzt hinzu: „Hier stehe ich, ich kann nicht anders. Gott helfe mir! 
Amen." Die ganze Versammlung war bewegt, und der Kaiser sagte: „Der Mönch redet 
unerschrocken und mit großem Mute." Die Anhänger des Papstes drangen in den 
Kaiser, dem Ketzer sein Wort nicht zu halten, sondern ihn sogleich verbrennen zu lassen. 
Aber der jugendliche Kaiser soll geantwortet haben: „Ich will nicht mit Sigismund 
erröten. Und wenn nimmer in der Welt mehr Treue zu finden wär', so soll man 
sie bei dem deutschen Kaiser finden." Obwohl er nun gegen Luther die Acht aus¬ 
sprach, bewilligte er ihm doch freies Geleit auf 21 Tage. 
10. Auf der Wartburg. Als Luther auf der Rückreise von Worms bei Eisenach 
durch einen Wald fuhr, sprengten plötzlich 5 verkappte Ritter auf ihn zu, ergriffen 
ihn, zogen ihn aus dem Wagen und schleppten ihn mit sich in das Gebüsch. Hier 
setzten sie ihn auf ein Pferd und brachten ihn auf die nahe Wartburg. Luther zog 
letzt die Kleidung eines Ritters an, trug hohe Stulpenstiefel, ließ sich Bart und Haupt¬ 
haar wachsen und führte den Namen „Junker Georg." Nur der Schloßhauptmann 
kannte ihn. Die verkappten Ritter waren nämlich von Friedrich dem Weisen geschickt, 
welcher den Geächteten auf diese Weise den Augen feiner Feinde zu verbergen wußte! 
Während man nun Luther tot glaubte, saß er ruhig auf der Wartburg und fing an, 
die Bibel in die deutsche Sprache zu übersetzen, wodurch er sich ein unsterbliches Ver¬ 
dienst um das deutsche Volk erworben hat. Als er etwa ein Jahr auf der Wartburg 
war, erhielt er die Nachricht, daß fein Freund und Amtsgenoffe Karlstadt in feinem 
schwärmerischen Eifer so weit ging, daß er die katholischen Geistlichen vertrieb und 
Heiligenbilder und Altäre vernichtete. Da hielt es ihn nicht länger auf der Wartburg. 
Entrüstet eilte er nach Wittenberg und predigte 8 Tage lang so eindringlich gegen 
Karlstadt und feine Anhänger, daß diese die Stadt verlassen mußten. 
11. Melanchthon war Luthers treuester Freund und ein sehr gelehrter und 
frommer Mann. Er hieß eigentlich Schwarzerd und war der Sohn eines Waffen¬ 
schmieds. Auf der Schule war er der Liebling der Lehrer, und mit 21 Jahren wurde 
er schon Professor an der Universität zu Wittenberg. Hier schloß er eine innige und 
ungetrübte Freundschaft mit Luther. Er war von zarter Gestalt, schlicht, sanft und 
aufrichtig und stand Luther in allen Dingen treu zur Seite, besonders förderte er 
durch feine Sprachkenntniffe das Werk der Bibelübersetzung. Er ist auch der Ver¬ 
fasser der augsburgifchen Konfession (S. 51). 
12. Luthers Familienleben. Luthers Gemahlin — eine ehemalige Nonne 
hieß Katharine von Bora. Mit ihr verlebte er eine glückliche Ehe. „Ich bin im 
Besitze meiner lieben Käthe reicher und glücklicher als Krösus," sagte er. An seinen 
Kindern hatte Luther große Freude. Aber obwohl er sie sehr lieb hatte, erzog er sie 
doch sehr strenge. Seinem Sohne Hans, welchem er jenen bekannten lieblichen Brief 
von dem schönen Garten schrieb, verweigerte er einmal 3 Tage die Verzeihung. „Ich 
will lieber einen toten als ungeratenen Sohn haben," sagte er. Einst erkrankte feine 
innig geliebte vierzehnjährige Tochter Magdalena. Luther stand an ihrem Bett und 
sagte: „Ich -habe sie sehr lieb; aber lieber Gott, da es dein Wille ist, daß bu sie da¬ 
hinnehmen willst, so will ich sie gern bei dir wissen." Dann sprach er zu seinem 
Töchterchen: „Magdalenchen, du bleibest gern hier bei deinem Vater und ziehest auch
	        
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