204 Zustände unseres Volkes von d. Zeit Konrads I. bis zum Ende d. Zwischenreiches.
VI. Geistiges Leben.")
Die Laienbildung war eine so dürftige, daß die Männer, welche
zu lesen und zu schreiben verstanden, zu den seltensten Ausnahmen
gehörten. Selbst ein Wolfram von Eschenbach kannte nach eigenem
Geständnisse keinen Buchstaben. Die Kunst der Schönschrift wurde in
den Klöstern mit großem Eifer geübt. Das Schreibmaterial war das
althergebrachte: Pergament und Wachstafel. Neben der schwarzen
Tinte, die wohl regelmäßig aus Galläpfeln bereitet wurde, stellte
man auch kostbare Schreibfarben her, um die prächtigen Meßbücher
und Psalterien damit zu zieren. Die Bücher wurden in Leder ge¬
bunden und bisweilen mit Gold oder geschliffenen Steinen besetzt.
Eifrige Bischöfe und Äbte legten Büchersammlungen an, namentlich
schafften sie Handschriften aus Italien herbei. Der Fleiß von Mönchen
und Nonnen vervielfältigte diese wie die in Deutschland selbst ver¬
faßten Werke. Unter den gelehrten Bestrebungen fand die Astronomie
eine besondere Pflege. Der Bischof Gerbert von Reims hatte höchst
sinnreiche Werkzeuge aufgestellt, um die Erlernung der schwierigen Wissen¬
schaft zu erleichtern, besonders war der Abt von Hirschau wegen seines
astronomischen und mathematischen Wissens berühmt. Die Verbreitung
geschichtlicher Kenntnis unter dem Volke geschah wie vor alters durch
Lieder, die sich mit merkwürdiger Zähigkeit von Geschlecht zu Geschlecht
forterbten. Neben dieser volkstümlichen, die Stoffe sagenhaft um¬
bildenden und ausschmückenden Geschichtsüberlieferung ging die
Geschichtsschreibung her, welche ausschließlich in der Hand der Geist¬
lichen und Klosterbrüder lag. Wie die gesamte Gelehrsamkeit aus
den Schätzen der Alten schöpfte, so auch die Medizin, die freilich kaum
den Namen einer Wissenschaft verdiente. Mönche und Geistliche,
Italiener und Juden betrieben das ärztliche Geschäft, richteten aber
mit ihren Tränken und sonstigen Mitteln Schaden genug an. Wie
früher wandten sich Kranke an heilkundige Frauen. Häufig suchten sie
auch Hülfe bei den Heiligen und ihren wunderthätigen Reliquien.
*) Nach E. Blume, Quellensätze zur Geschichte unseres Volkes. II. Bd.
Cöthen. 1891.