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Die Zeit der unumschränkten Fürstengewalt.
willen die Kraft eines täglichen Gebetes haben werden," — da drückte
die Kurfürstin ihrem Gemahl dreimal die Hand zur Bestätigung jener
Worte. Das war das letzte Lebenszeichen der Kurfürstin. Am 18.
Juni abends hatte sie ausgelitten.
VI. Frankreich unter Ludwig XIV?)
Ludwig XIV. hatte im Jahre-1661 die Regierung, erst 23 Jahre
alt, selbst übernommen, nachdem seit dem Tode seines Vaters (1643)
der Kardinal Mazarin als erster Minister die Staatsgeschäfte ge¬
leitet hatte, dessen Geschicklichkeit Frankreich im westfälischen Frieden
die Erwerbung des größeren Teils vom Elsaß verdankte. Ludwig
hatte das Glück gehabt, für jedes Amt den begabtesten Mann zu
finden; als Feldherren hatte er Conds, Turenne und Vendome gewählt,
die ihm neue Provinzen eroberten, als Kriegsbaumeister den General
Vauban, welcher aus jedem eroberten Platze eine uneinnehmbare
Festung machte, als Kriegsminister den General Louvois, einen Mann
von rücksichtsloser Thatkraft, der dem König ein wohlausgerüstetes,
gut geschultes, stehendes Heer zur Ausführung seiner Pläne zur Ver-
fügung gestellt hat. Um aber die Geldmittel zur Erhaltung des
Heeres, sowie zur Befriedigung der Verschwendungssucht des Königs
zu beschaffen, war in dem Finanzminister Colbert der rechte Mann
gefunden, der die Finanzen des Landes und des königlichen Hauses
zu ordnen verstand und dem Lande ganz bedeutende Einnahmequellen
zu verschaffen wußte. So wurden Kanäle gegraben, die Meer mit
Meer verbinden sollten, Straßen angelegt und Seehäfen gegründet,
Fabriken und Werkstätten wurden ins Dasein gerufen, deren Erzeugnisse,
wie venetianische Spiegel, Gobelins, Metallarbeiten und Porzellan,
Unsummen Geldes in Frankreich zusammenströmen ließen, weil sie
vom Ausland massenhaft gekauft wurden. Tausende von Menschen
fanden an der Aufführung von Prachtbauten Beschäftigung und Ver¬
dienst. Infolge des Aufschwunges im Handel und im Gewerbe war
die Bevölkerung der Stadt Paris schnell gewachsen; um der Stadt
nun ein schöneres Ansehen zu geben, wurden breite mit Baumreihen
bepflanzte Straßen angelegt und schöne Brücken und Häuser gebaut.
Der Hof zu Versailles. Doch das geräuschvolle Leben und
Treiben der Großstadt mochte dem König nicht immer behagen, deshalb
*) Mit Benutzung von H. Ta ine, Les Origines de la France Contempo-
raine, Tome I: L’Ancien Regime.